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Es ist noch früh am Morgen, für mich sehr früh am morgen, als ich Brigitte Holzer an der Badgasse 4 treffe. Brigitte sitzt bereits auf der Treppe bei den Gärten an der Badgasse und liest Zeitung. «Mach ruhig», ruft sie mir zu, «ich lese noch den Artikel fertig.»
Brigitte Holzer lebt sein 2003 in der Matte. «Ich bin keine Mättelerin», sagt sie ohne Umschweife. «Die Matte ist ein wichtiger Teil meines Lebens, aber ich bin nicht die Matte. Ich bin auch nicht geprägt von der Matte, weil ich nicht in diesem Quartier aufgewachsen bin. Ich höre aber gerne den Geschichten der Mättelerinnen und Mätteler zu.»
Brigitte Holzer lebt mit ihrem Partner Urs und ihren beiden Kinder Fynn (2006) und Emma Lou (2007) an der Wasserwerkgasse gleich vis a vis vom Wasserwerk.
«Ist das nicht eine schwierige Wohnlage?», frage ich sie direkt.
«Doch, aber als Zugezogene kannte ich die Probleme betreffend Wasserwerk schon beim Einzug und ich kann nicht erwarten, dass die andern sich an mich anpassen. Das Wasserwerk war vor mir da. Es gibt allerdings Probleme, von denen ich zwar gewusst habe, mit denen ich mich aber tatsächlich nicht abfinden kann und das sind die Verkehrsprobleme», sagt sie bestimmt.
Brigitte Holzer absolvierte ursprünglich eine kaufmännische Lehre und holte erst auf dem zweiten Bildungsweg die Matura und das Studium zu Botanikerin nach (Fachrichtung Vegetationskunde-Ökologie. Lic. phil. nat.)
«Was macht eine Botanikerin?»
«Ich arbeite beim UNA-Bern. Das Atelier für Naturschutz und Umweltfragen ist ein Team von Umweltfachleuten, die seit 1984 zusammenarbeiten. Wir haben in den letzten Jahren unter anderem für das Bundesamt für Umwelt (BAFU) blumenreiche Wiesen und Weiden in der ganzen Schweiz kartiert. Das heisst, wir haben den genauen Ort, die Grösse, die Qualität und den Zustand der Wiese bestimmt. Das Resultat ist eine Art Verzeichnis der schönsten Blumenwiesen in der Schweiz, ein Inventar, das Anfang dieses Jahres durch eine Verordnung unter Schutz gestellt wurde.
«Und warum sind Blumenwiesen wichtig?»
Man spürt, dass Brigitte die Natur und ihr Beruf am Herzen liegen. Sie erklärt mir die Zusammenhänge in einer ruhigen und sachlichen Art. «Ich gebe dir ein Beispiel», sagt sie locker, als sie merkt, dass ich wohl nicht alles verstanden habe.
«Blumenwiesen sind sehr artenreiche Lebensräume, auf 10 Quadratmetern können schnell mal 50 verschiedene Pflanzen wachsen.
Und die Erhaltung der Artenvielfalt ist enorm wichtig, auch für uns Menschen. Je weniger Blumenwiesen wir haben, je weniger Insekten tummeln sich darin – je weniger Insekten je weniger Vögel usw. alles hängt zusammen.»
Brigitte wurde an der ordentlichen HV im März in den Matte-Leist-Vorstand gewählt und so interessiert es mich, wie sie sich die Arbeit im Matteleist vorstellt.
«Ich möchte mich hier in der Matte besser verwurzeln und der Matteleist ist eine gute Plattform dazu. Ich habe nicht grosse Visionen, die ich unbedingt verwirklichen will. Ich habe eher kleine Ideen, die ich realisieren möchte. Ich möchte in der Matte meine eigene Geschichte wachsen lassen.»
«Wie siehst du dich in diesem Vorstand?»
«Ich arbeite gerne im Hintergrund und für mich ist es wichtig, der Sache zu dienen.Ich glaube, dass wir im Leist auf einem guten Weg sind. Der neue Vorstand ist zwar noch etwas fragil, aber ich bin der Überzeugung, dass wir eine gute Stimmung und gegenseitigen Respekt schaffen können. Was erwartest du von der Mattebevölkerung?
«Ich wünsche mir, dass wir von der Mattebevölkerung Unterstützung bekommen. Gebt uns ein bisschen Zeit! Wir besprechen nicht nur Sandkastenprobleme, sondern es gibt viele komplexe Themen, die sich nicht von heute auf morgen erledigen lassen. Wenn die Bevölkerung mit dem Leist und mit der Stadt am gleichen Strick ziehen, dann finden wir auch Lösungen. Die Mättelerinnen und Mätteler dürfen davon ausgehen, dass der Vorstand sein bestes gibt.
«In der Matte und im Leist haben wir, gerade bei brisanten Themen - leider und zum Glück - die unterschiedlichsten Meinungen. Genau dies macht die Arbeit im Leist spannend. Ich sitze mit den unterschiedlichsten Menschen an einem Tisch und obwohl nicht alle mit allen «Söi hüete» kann man anständig miteinander umgehen. Auch ich bin allerdings nicht nur nett, manchmal kommt auch bei mir der Skorpionstachel». Brigitte ist am 12. November 1970 geboren. «Es gibt aber auch Momente, da habe ich keine Lust, mit andern an einen Tisch zu sitzen, da brauche ich meine Privatsphäre und da scheue ich mich vor Auseinandersetzungen», sagt sie sie fast entschuldigend.
«Was ist dir wichtig in deinem Leben?»
«Viele Sachen», sagt sie spontan. «Meine Kinder, mein Lebenspartner, meine Familie, meine Freunde, mein kleiner Kreis. Das Geborgensein bei diesen Menschen. Auf der persönlichen Ebene möchte ich Gelassenheit lernen. Geduld zu haben mit mir und mit meinen Mitmenschen. Ich möchte aber auch, dass diejenigen, die nach mir kommen noch etwas von der Natur haben, deshalb nehme ich oft das Velo, kaufe saisongerecht ein und versuche, so wenig wie möglich mit dem Flugzeug zu reisen.
Allerdings: Auch ich gerate immer wieder mit meinem ökologischen Gewissen in Konflikt. Ich dusche beispielsweise gerne heiss und lange.» Sie lacht verschmitzt.
«Was möchtest du für deine Kinder in der Matte?»
«Ich möchte den Dorfcharakter in der Matte behalten und fördern. Plätze, wo man verweilen kann, in der Kinder unbeschwert leben können. Ich möchte nicht, dass die Kinder an Scherben, Hundekot und Zigarettenstummel vorbei müssen. Die Nachtspuren sind wirklich ein grosses Übel in der Matte.
Und zum Schluss werde ich wohl doch noch auf den Verkehr kommen, denn der macht vieles kaputt. Nicht nur, dass es gefährlich und lärmig ist. Ich gebe dir noch ein Beispiel: Gerne würde ich beim Wöschhüsi unter dem Kastanienbaum sitzen, denn das ist ein super Platz, aber ich mag nicht dort sitzen, weil der Verkehr die Stimmung zu Nichte macht. Genau das meine ich mit dem Dorfcharakter, der durch den Durchgangsverkehr verloren geht. Wie schön wäre es auch, einfach mal in aller Ruhe auf der Strasse zu stehen, ohne sich gleich bedroht zu fühlen.» Für einmal sehe ich einige Unmutsfalten auf ihrer Stirn.
«Ich bin froh gibt es den Längmuurspielplatz, der ist schöner als ein eigener Garten, denn dort hat es noch andere Menschen für einen Schwatz und viel Leben. Die Kinder gehen gerne dorthin, um zu spielen»
Unsere Zeit ist bereits vorbei. «Ich muss», sagt sie und steigt auf ihr Velo und radelt davon.
Brigitte Holzer ist eine viel beschäftigte Frau und ich bewundere sie, wie sie alles unter einen Hut bringt. Ich nehme an, dass sie über mehr Stunden im Tag verfügt als andere. Herzlichen Dank für das angeregte, offene und ehrliche Gespräch. Ich wünsche dir viel Kraft und Gelassenheit für deine vielen Aktivitäten.
Rosmarie Bernasconi