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Als ich in den 1980er-Jahren in der Matte wohnte, war die Stadtmühle noch in Betrieb. Schwere Lastwagen quälten sich durch die engen Strassen und ein Schadstoffschleier umhüllte unser Haus. Meine Wohnung lag im Souterrain, im Aaregrundwasser sozusagen, und war entsprechend feucht. Noch Jahre nach meinem Umzug in die Agglomeration strömten Bücher, Plattenhüllen und die Matratze diesen leichten Modergeruch aus, der damals mein Matte-Markenzeichen war. Ich war jung und kümmerte mich nicht um solche Details. Auch das Thema Hochwasser bereitete mir keine schlaflosen Nächte. Zwar wurde meine damalige Wohnung seit 1999 zweimal bis an die Decke mit Wasser gefüllt. Doch 1984 war die Welt noch in Ordnung und die Matte – so wie heute – ein Quartier voller spannender, eigenwilliger, kreativer Menschen. Das zählte.
Das Bundeshaus sah ich in dieser Zeit nur von unten. Zum Beispiel wenn wir mit Nachbar Gerhard Johann Lischka, auch als «weisser Hai der Aare» bekannt, ins Marzilibad pilgerten. Lischka wohnt immer noch in der Gerberngasse, aber sonst hat sich vieles verändert. Die Stadtmühle ist verschwunden, neu prägen Cinématte, tolle Beizen und die Kreativwirtschaft das Quartier. Statt über Lastwagen ärgern sich viele Menschen heute über die Spuren des Nachtlebens. Dank dem Nachtfahrverbot ruht der Verkehr zumindest in den empfindlichsten Stunden. Doch nur mit dem Mattepoller (in light-Version) bleibt das Quartier auch für Familien attraktiv. Leider ist das Baugesuch immer noch durch Einsprachen blockiert. Auch beim Hochwasserschutz geht es nur langsam vorwärts, weil sich die Politik nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen kann.
Nach meiner Wahl in den Nationalrat werde ich nur noch bis Ende 2012 mithelfen können, all diese Projekte zu deblockieren. Danach wir meine Nachfolgerin/mein Nachfolger die Geschäfte übernehmen. Ich hoffe natürlich sehr, dass auch er oder sie auf die wichtige Unterstützung des Matteleistes und der Quartierbevölkerung zählen kann! Ich selber werde im Bundeshaus weiterhin so politisieren, wie ich es in der Stadt Bern und in der Matte gelernt habe: Nahe an den Menschen, mit Respekt auch vor Andersdenkenden und mit beiden Beinen auf dem Boden.
Regula Rytz, Gemeinderätin und Nationalrätin