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Sanierung Stützmauer Münsterplattform und Zusammenarbeit Mattelift
An einem wunderbaren Sommermorgen im Juli treffen Nicole und ich auf Barbara Beyeler. Sie ist die Projektleiterin von Hochbau Stadt Bern in diesem Grossprojekt. «Ich bin Barbara», begrüsst sie uns, unkompliziert und herzlich. Nicole und Barbara, fahren gut geschützt, mit dem Baulift nach oben. Während ich die Antworten durchlese, die mir Barbara Beyeler vorab beantwortet hat. Nein, ich bin nicht aufs Gerüst gestiegen. Das habe ich den jungen Frauen überlassen.
Wer ist Barbara Beyeler?
56 Jahre alt oder jung, im Zeichen Fische geboren, Architektin HTL, Berufslehre als Zeichnerin, anschliessend Ausbildung am «Abendtech», 19 Jahre selbständige Architektin, seit Februar 2020 bei Hochbau Stadt Bern als Projektleiterin. Wohnt seit 1992 in der Stadt Bern.
Foto Nicole Stadelmann
Wie siehst du die Münsterplattform?
Sie ist der Balkon der Stadt Bern und als Merk- und Angelpunkt in der Silhouette der Altstadt. Historisch ist sie auf jeden Fall – die Geschichte der Plattform und des Münsters datieren bis in die Jahre um 1200 zurück.
Als Balkon und Aussichtsort ist die Plattform nicht nur praktisch, sondern auch heute sehr zeitgemäss. Die Kinder aus dem Quartier spielen hier, Erwachsene treffen sich zum Reden, Kaffee trinken und spielen Boule. Und nicht zuletzt finden Märktehier statt.
Wie kamst du zu diesem Projekt und was ist deine Aufgabe als Projektleiterin?
Meine Aufgabe als PL ist die Durchführung dieses Projektes von A bis Z. So durfte ich bereits den Antrag für den Planungs- und Baukredit verfassen. Dieser wird bei Projekten dieser Grössenordnung vom Stadtrat genehmigt. Weiter ist die Koordination mit den beteiligten stadtinternen Fachstellen und den ausführenden Unternehmungen Teil der Aufgabe. Die Kontrolle von Kosten, Terminen und Qualität ist ebenso ein Teil der Arbeit, den die PL abdeckt.
Die PL ist sozusagen die Drehscheibe bzw. der Angelpunkt im Bauprojekt.
Was ist die grösste Herausforderung bei diesem Projekt?
Die Ausführung dieses Projektes ist unter einer laufenden Überwachung betreffend Kosten und Terminen. Vor Baubeginn wurde eine Kartierung mittels Hebebühne und Bildverfahren erstellt. DieArbeiten jetzt, vom Gerüst aus, erlauben eine noch vertieftere Betrachtung. So muss laufend entschieden werden, wie weit mit den Sanierungsarbeiten zu gehen angemessen ist. Der Aspekt der Eingriffstiefe entscheidet darüber, ob das Projektbudget eingehalten werden kann. Die Koordination mit allen Betroffenen: So mussten wir beispielsweise Ersatzstandorte für die während der Baustelle belegten Parkplätze suchen, dito für die PubliBike. Für das Café Einstein haben wir beim Gerüst oben extra ein Fenster gebaut, dass die Gäste die Aussicht geniessen können.
Die engen Verhältnisse in der Badgasse sind vor allem für die Handwerker*innen eine Herausforderung. Es steht wenig Platz für Material und Fahrzeuge zur Verfügung.
Das Eingerüsten dieser, in ihrer Geometrie einzigartigen bis 30 Meter hohen Mauer ist für die Leute vom Gerüstbau eine einzigartige Herausforderung. Es gilt ALLE Sicherheitsanforderungen einzuhalten.
Eine weitere fachliche Herausforderung war die Aufmörtelung des Tuffsteins. Tuffstein darf in der Schweiz nicht mehr abgebaut werden. Somit können Steinelemente nicht einfach ersetzt werden. Es muss ein Ersatzmörtel entwickelt werden, der dem porösen Bild des Tuffsteins am ähnlichsten kommt. Hier war die erste Etappe der Baustelle ein Entwicklungslabor. Mit der Erfahrung vom archäologischen Dienst, Berner Münsterstiftung mit der Münsterbauhütte und von Wirz Restauratoren AG wurde dieser Mörtel entwickelt und angewendet.
Wie lange hast du an diesem Projekt geplant bis zur Ausführung?
Die ersten Inspektionen datieren ins Jahr 2017-18. Die Stützmauer wird regelmässig von einer Hebebühne aus geprüft und untersucht. Bei den Untersuchungen im Jahre 2017-18 wurde festgestellt, dass es lose Stellen gibt, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die Steine sind fortwährend den Witterungseinflüssen ausgesetzt. Dadurch bedingt gibt es absandende Stellen, Schalenbildungen und teilweise lösen sich Fugenmörtel heraus. Weiter hatte es Pflanzenbewuchs von Mikroorganismen über Flechten, Moose bis zu verholzten Sträuchern, was im Stein ebenfalls weitere Schäden verursachen kann.
Wieso wird die Mauer in Etappen saniert?
In erster Linie hat das praktische Gründe. Es bräuchte sehr viele Restaurator*innen um gleichzeitig die ganze Fläche von rund 5’800 m2 zu restaurieren. Diese Fachleute in der erforderlichen Menge sind nicht so einfach verfügbar. Im Weiteren ist es dasselbe beim Gerüst. Soviel Material und so viel Man- bzw. Womanpower auf einmal wäre unverhältnismässig.
Die Mörtelarbeiten an der Stützmauer können nur bei wärmeren Temperaturen – mindestens 10°C zum austrocknen – ausgeführt werden. D.h. im besten Fall kann von März bis Oktober gearbeitet werden. Die Fläche wurde deshalb auf 4 Jahre aufgeteilt.
Wie weit sind die Arbeiten an der Sanierung?
Der erste Teil der Etappe von 2023 ist abgeschlossen. Auf der Badgasse-Seite kann ein schönes Vorher-Nachher Bild gemacht werden.
Bild Nicole Stadelmann
Was ist das Spezielle an diesem Projekt/ Mauer?
Das Bauwerk an sich ist eine Spezialität. Es gibt in Bern und Umgebung kaum ein vergleichbares Objekt.
Das Vorgehen in Schritten musste mit der Umsetzung der ersten Etappe quasi entwickelt werden. So haben wir nun ein Verfahren, das in Absprache mit den Beteiligten folgendermassen abläuft:
- Wird das Gerüst erstellt, parallel dazu muss das Fangschutznetz demontiert werden und oben auf der Plattform ein Zaun erstellt werden, damit niemand über das Geländer fallen könnte.
- Die Restaurator*innen, Steinmetze und Steinbildhauer*innen reinigen die Oberfläche mittels Luft- und Wasserstrahl mit wenig Druck. So dass der Stein schonend gereinigt wird.
- Als nächstes kommt der archäologische Dienst, um Aufnahmen zu machen
- Anschliessend wird das Schadensbild durch die Restaurator*innen aufgenommen und in einer Kartierung festgehalten
- Gemeinsam mit der Münsterbauhütte wird dann entschieden, welche Schadensbilder mit welchen Massnahmen repariert werden
- Reparatur und Sanierung durch die Restaurator*innen, Steinmetz*innen und
Steinbildhauer*innen
- Kontrolldurchgang mit Münsterbauhütte
- Allenfalls nochmalige Verfeinerung der Reparaturen
- Festhalten der Reparaturen in der Kartierung
- Freigabe
- Abgerüsten
In ca. 30 bis 40 Jahren wird eine solche Sanierung wieder fällig sein. Bis dahin wird die Mauer regelmässig inspiziert und von Pflanzenbewuchs befreit.
Können die budgetierten Kosten eingehalten werden?
Bis anhin sind keine grossen, unerwarteten Zusatzaufwendungen aufgetaucht. Es ist jedoch zu betonen, dass bis zur letzten Etappe im Jahr 2026 seit der Inspektion bereits 8 bis 9 Jahre vergangen sind und der Alterungsprozess der Mauer bis dahin weitergeht …
Was sind deine persönlichen Lieblingsprojekte? Jedes Projekt bei Hochbau Stadt Bern bringt Einblick in eine andere Welt. Das macht die Arbeit ungemein spannend. Sei es die Sanierung eines 100 - jährigen Schulhauses oder die Sanierung der Stützmauer.
Was macht es so spannend ein solches Projekt durchzuführen?
Jedes Objekt kommt mit seiner Geschichte auf meinen Tisch / Bildschirm. Mir ist es wichtig bei ALLEN deren Charakteristika zu erkennen, wertzuschätzen und so weiterzuentwickeln, dass sie gestärkt aus einer Sanierung oder einem Umbau hervorgehen können und so unserer Nachwelt gute Dienste leisten und Freude machen.
Was gab es bis jetzt für Überraschungen an den bisherigen Arbeiten?
Die Aufnahmen durch den archäologischen Dienst haben die Geschichte bestätigt.
Für mich eine persönliche Überraschung war, dass bereits nach der ersten Sanierungsetappe kurz vor dem Abgerüsten bereits wieder Pflänzchen aus den Öffnungen im Tuffstein wuchsen.
Was machst du, wenn dieses Projekt fertig ist?
Die Arbeiten an der Stützmauer dauern bis 2027. Bis dahin betreue ich auch andere Projekte in verschiedenen Planungphasen.
Wie viele Menschen sind in diesem Projekt involviert?
Es gibt eine umfangreiche Adressliste in diesem Projekt. Diejenigen, die die Arbeit auf der Baustelle verrichten sind in erster Linie zahlreiche Gerüstbauende, Restaurator*innen, Steinmetz*innen bzw. Steinbildhauer*innen. Auf den Beizug von Sanitär und Elektriker*innen mussten wir für die Erschliessung der Baustelle ebenso zugreifen. Das Kern-Planungsteam besteht aus Ingenieuren, Architekt*innen und der Münsterbauhütte, die uns mit ihrem Fachwissen zur Seite steht. Die Denkmalpflege und der kantonale archäologische Dienst sind ebenfalls Teile des Teams.
Weiter stehen wir in Kontakt mit den Betreibenden der Matte-Plattform-Lift AG, dem Café Einstein, der Kornhausbibliothek im Westpavillon sowie dem Matte-Leist und weiteren Betroffenen wie PubliBike, dem Stiftsgarten usw.
Gibt es Momente, wo du denkst, dass das Projekt nie fertig wird?
Ich bin zuversichtlich, dass das Projekt per viertem Quartal 2026 abgeschlossen werden kann. Jedoch ist die Instandhaltung dieser über mehre hundert Jahre alten Mauer nie abgeschlossen.
Was macht dein Beruf als Architektin aus?
Der Einblick in unterschiedliche Welten und der Kontakt zu sehr unterschiedlichen Menschen macht einen ungeheuer bunten und reichen Blumenstrauss. Und die Liebe zu Schönem und Qualitätsvollem. Ebenfalls gefällt mir, dass die Arbeit am Bauprojekt einmal abgeschlossen ist und sichtbar ist. bzw. dass dann wieder mit einer neuen Aufgabe begonnen werden kann.
Was macht Barbara Beyeler wenn sie nicht projektiert und kontrolliert?
Ideen schmieden, was auch noch projektiert und verschönert werden könnte …
Text: Barbara Beyeler
Bilder: Nicole Stadelmann, Rosmarie Bernasconi