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Was macht man mit einem Rahmen, der schon seit längerem nur noch den Rahmen für zerfledderte Werbeplakate bildet – Affichen, die hier einst aufgekleistert wurden? Was macht man mit einem Rahmen, in dem schon seit geraumer Zeit nur noch eine grosse Leere gähnt? Was macht man mit eben diesem Rahmen, der an der Wand unten gleich neben dem Mattelift hängt? Man füllt den alten Rahmen mit neuem Inhalt. Mit Momentaufnahmen zum Beispiel – von einer Welt, die zwar da ist, aber kaum wahrgenommen wird.
Ein Platz ist ein Platz. Auch dieser Platz. Der nüchterne Vorplatz unten beim Mattelift.
Ein Platz eben. Asphaltiert. 9 x 16 Meter. Eine Steintreppe. Vier Stufen. Betonmauern. Geländer. Eckig und rund. Ein Baum. Spitzahorn. Umschlossen von einer massiven Bank. Drei Schachtdeckel. Gusseisen. Eine Ladenwand. Wenig fantasievoll versprayt, mit alten Bostitch-Klammern gespickt. Ein Briefkasten. Leerungen: Montag bis Freitag 10 Uhr. Ein klobiger Aschenbecher. Gleich neben dem Kehrichtkübel. Auf diesen Ort im Schatten der gewaltigen Pläfe-Stützmauer, am Fuss der prächtigen hängenden Gärten, auf diese kleine Welt, schauen die Meisten meistens nur herab. Hierher kommt man bloss, um gleich wieder zu gehen. Hinauf mit dem Lift.
Hier verweilt man nicht, weil es augenscheinlich nichts zum Verweilen, nichts zu sehen gibt. Aber just da liest man als Liftboy, weil man manchmal Zeit dafür hat, wieder mal etwas von Glauser – ja genau der, der mit dem Wachtmeister Studer, mit dem Matto regiert – von diesem Glauser also, der mal gesagt hat: „Schauen, schauen, schauen. Und nie das Erstaunen vergessen. Wir sind nicht da, um zu richten.
Wir sind da, um zu erzählen“.
Und so schaut man denn, mit Glauser im Ohr, diese unscheinbare Mattelift-Talstation-Welt genauer an. Und sieht plötzlich. Ziemlich viel. Schwarzweiss. Aber auch farbig. Die Jahreszeiten am Baum. Die Morgensonne auf der mächtigen Stahlkonstruktion. Die filigranen Spinnennetze an den Kandelabern. Die geometrischen Schattenbilder der Geländer und Treppe. Die Weinbergschnecken an den feuchten Rändern der Rampe. Die Spatzen und Tauben im Geäst. Die kleinen gewölbten Mooskissen am Sandstein. Die zartlila Blüten in den Mauerritzen. Der leuchtend gelbe Löwenzahn neben den Verbundsteinen. Die karminrosa Spornblume zwischen Asphalt und Beton. Und der Efeu am Maschendrahtzaun. Überhaupt und überraschend viel Grün in all dem Grau. Leben, wachsen und gedeihen. Gleichsam eine kleine Rückeroberung. Überwacht von einer blauäugigen Graffiti-Katze. Man schaut und schaut und staunt und staunt und hält das Gesehene schliesslich fest. Einfach mit der HandyKamera. Klick. Auf dass diese Momentaufnahmen von „Lift und Schatten“, von „Lift-Blicken“ und „liftgrün“ den alten Rahmen plakativ wiederbeleben. Die kleine Lift-Welt im Weltformat.
Text:Peter Maurer, Matte-Liftboy und langjähriger Radio-Reporter.
Liftgrün
Collage von Peter Maurer