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Am Vorabend unseres Gesprächs sandte ich Marianne Blaser einige Fragen. Meine erste Frage lautete «Wer ist Marianne Blaser?» Postwendend kam ihre Antwort zurück.
«Du bist mir eine! Was du alles wissen willst! Nun überlege ich die halbe Nacht, wer Marianne Blaser ist.» Später treffe ich Marianne im Buchladen und wir setzen uns an den grossen, langen Tisch und nun stelle ihr die Frage persönlich.
«Wer ist Marianne Blaser?»
«Ich bin immer noch in Entwicklung», sagt sie lachend. «Ich bin bodenständig, erdverbunden, zuverlässig, mein Glas ist halbvoll, und bin ein positiver Mensch, auch Humor ist mir wichtig. Ich bin ein treuer Mensch. Menschen, Tieren und zum Leidwesen auch Gegenständen gegenüber. Ich überlege lang, was weggeworfen wer-
den soll», erzählt sie mir nachdenklich. «Dann ist also loslassen nicht deine Stärke?», wende ich ein. «Nein, loslassen ist wirklich nicht meine Stärke, denn ich mag langjährige Freundschaften und
es macht mich bereits traurig, wenn ich z.B. nach zwei Wochen Ferien in einer Gruppe, mich von allen verabschieden muss.»
Marianne ist tierliebend und hat einen Mischlingshund «Nico». «Leider ist er jetzt alt geworden, aber er kann solange bei mir bleiben, wie er will», sagt sie nachdenklich.
«Wie gefällt es dir der Matte?»
«Als junges Mädchen war der Blick von der Münsterplattform hinunter in die Matte mein erster Kontakt. Ich wusste damals, dass sich ab und zu Menschen über die Mauer in die Matte stürzten. Der Blick in die Badgasse vor diesem Hintergrund hat mich sehr beeindruckt.
Und als ich die Ausbildung zur Heilpädagogin absolvierte, hatten wir einen Kurs für Bewegung in der Cinematte. Der Tag war sonnig und die Matte präsentierte sich von ihrer schönsten Seite. Seit bald einem Jahr bewege ich mich nun fast täglich in der Matte. Ich mag dieses kleine, schöne, lebendige und abgeschlossene Quartier. Es hat eine überschaubare Grösse.
Mir kommt es so vor wie das Lummerland von Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer.» Marianne ist ein grosser Fan von Jim Knopf, immer wieder erwähnt sie dieses Buch.
«Was magst du besonders in der Matte?»
«Man kennt sich, die Kinder kennen einem mit Namen und ich kann zurück grüssen. Die Matte erinnert mich mit den Lauben und dem mittelalterlichen Flair an meine Jugendzeit in Murten.» «Was ist für dich eher fremd in der Matte?» «Die vielen Gärten in der Matte, die hinter den Häusern liegen. Diese versteckten Gärten faszinieren mich. Das würde man hier unten gar nicht vermuten. Leider bleiben diese Gärten
«fremd», weil man sie ja nicht besuchen kann. Nun haben wir selber einen Schulgarten – zwischen der Schifflaube 12 und Turnhalle. Die Schulkinder durften den Garten bepflanzen und können zukünftig mit ihren Lehrpersonen das Gartenareal als «Schulzimmer im Grünen» nutzen», sagt sie nicht ohne Vorfreude.
«Was sind deine Aufgaben als Schulleiterin?»
«Ich bezeichne mich gerne als Gestalterin. Es geht darum, Verbindung herzustellen zwischen den Kindern, Lehrern, Eltern und Behörden. Es ist unsere Aufgabe, junge Menschen fit zu machen für ihr künftiges Leben, ihnen aufzuzeigen, wo ihre Stärken liegen und sie in diesen zu bestärken. Ich versuche Bedingungen zu schaffen oder zu unterstützen, die dieses Anliegen fördern. Ein grosser Teil ist halt Administration», sagt sie mit einem leisen Bedauern. «Aber das muss eben auch sein.» Ihre Rolle als Schulleiterin ist zunehmend auch die einer Vermittlerin. Vermitteln von Ansprüchen, von unterschiedlichen Bedürfnissen. «Manchmal ist es nicht ganz einfach, die individuellen Bedürfnisse so zu berücksichtigen, dass noch ein sinnvolles Ganzes bestehen bleibt», sagt sie.
«Ich muss nicht allen und allem gerecht werden, das ist nicht das Leben! Das Leben wird einem nicht zu jeder Zeit und in jeder Lage gerecht. Man überlebt im Leben besser, wenn man diese Diskrepanz auch mal aushalten kann und es einmal nicht nur um sein eigenes Individuum geht», sagt sie bestimmt.
«Unsere zukünftigen Probleme können wir nur gemeinsam lösen. Da muss, zugunsten der Gemeinschaft, manchmal auch die Individualität jedes Einzelnen zurückgestellt werden. Dieses Besinnen auf die Gemeinschaft erachte ich zunehmend wieder als Aufgabe der Schule.»
«Wie geht es dir damit, das Schiff in dieser schwierigen Zeit auf Kurs zu halten?»
«Ich könnte dir jetzt sagen, ich kann das alles bestens managen», sagt sie lachend.
«Es ist aber tatsächlich ein anstrengender Job. Manchmal bin ich sehr müde, weil es doch relativ viel Arbeit und Verantwortung ist. Es ist eine vielseitige, herausfordernde und auch schöne Aufgabe. Für mich ist es allerdings auch erfreulich, dass ich ein gestalterisches Arbeitspensum habe, das mir Freiraum lässt.»
Die im Sternzeichen Stier geborene Schulleiterin meistert diese herausfordernde Aufgabe mit Ruhe und Besonnenheit. «Es geht darum Schritt für Schritt etwas zu tun und sich auch mal Zeit zu lassen», findet sie. «Vor allem ist es wichtig, dass Eltern, Kinder und die Lehrerschaft das Vertrauen in die Schulleitung haben.»
«Was gefällt dir an deinem Beruf?»
«Ich habe schon etwas Kreidenstaub im Blut und bin die geborene Lehrerin», sagt sie schmunzelnd.
«Ab und zu vermisse ich es allerdings schon, nicht mehr aktiv als Lehrerin tätig zu sein. Aus diesem Grund geniesse ich auch die Gespräche an meiner gläsernen Containertür mit den Kindern. Wir besprechen so einiges: Wochenenderlebnisse, das Menü in der Tagesschule und immer wieder sprechen wir über meinen Hund. Ab Schulbeginn im Herbst werde ich mein Büro nicht mehr so prominent auf dem Allwetterplatz haben. Fast schade!»
«Wann zieht ihr nach dem Umbau wieder ins grosse Schulhaus ein?»
«Ab dem neuen Schuljahr und ich bin sehr froh und dankbar darüber. Wir dürfen ein neu renoviertes Schulhaus beziehen, während andere Schulhäuser in Europa zerstört werden. Neu wird die Bibliothek und das Musikzimmer, das gemeinsam genutzt wird, im grossen Schulhaus eingerichtet.
Die alte Turnhalle gegenüber ist und bleibt jetzt die Tagesschule.»
«Wann wird das Provisorium im Container wieder weggenommen?», will ich wissen
«Der Container wird in den Sommerferien abgebaut. Vorher müssen wir noch alles räumen und dies möchten wir so schnell als möglich tun, damit die Schülerschaft wieder den ganzen Schulhausplatz zur Verfügung hat», sagt sie.
«Wie empfindest du die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonal, Schülerschaft und Eltern?»
«Dies musste wachsen und ich denke, dass wir auf gutem Wege sind. Vertrauen von allen Seiten war notwendig, dass wir in eine gute Richtung gehen können. Für mich ist es wichtig, dass wir uns mit Respekt begegnen können. Wir müssen nicht immer gleicher Meinung sein, denn es darf ruhig auch mal Kritik geben. Die Wertschätzung jedes Einzelnen ist für mich allerdings zentral.»
«Was wünscht du dir für die Zukunft?»
Für die Zukunft wünsche ich mir etwas mehr Ruhe und gewöhnlicher Alltag – ohne allzu viele HauruckÜbungen. Der heutige Drive darf problemlos verlangsamt werden.»
«Was machst du, wenn du nicht für die Schule tätig bist?»
«Ich kann dir keine spektakulären Hobbys aufzählen. Ich liebe Lebensgeschichten und Porträts. Ich höre oft Podcasts von Menschen mit spannenden Geschichten oder lasse mir diese live erzählen. Von Menschen, die schwierige Zeiten durchmachen, von Menschen, die trotz Hindernissen an ihren Zielen festhalten und letztlich eine positive Bilanz ziehen können», erzählt sie und fährt weiter:
«Ich mag es zu „Gärtele“, sähen und auch ernten. Nur Blindschleichen finde ich eklig.»
«Was sind deine Lieblingsdestinationen?»
«Aktuell Korsika, Sardinien und einfach das Meer, obwohl ich es schon jahrelang nicht mehr gesehen habe», sagt sie kurz und bündig.
Nicole ist zwischenzeitlich mit ihrer Ausrüstung eingetroffen und Marianne hat auch bereits einen nächsten Termin anstehen. Gemeinsam huschen die beiden Frauen zum Fototermin beim neuen Schulgarten.
Herzlichen Dank Marianne für deine Zeit, für das lebendige und kommunikative Gespräch. Dir wünsche ich, dass du deine Bodenständigkeit, deine Geduld und deine Besonnenheit und deinen Humor bei der Arbeit weiterhin einbringen kannst.
Text: Rosmarie Bernasconi, Bild: Nicole Stadelmann