Men Seiler hat das Interview mit Prof. Dr. Oliver Lubrich geführt

Alexander von Humboldt, preussischer Naturforscher und Entdecker der Welt. Er hat Amerika und Asien bereist, Tiere beschrieben, Höhen gemessen und noch viel mehr vollbracht. Ich besuche einen Experten für Komparatistik an der Universität Bern und befrage ihn über Alexander von Humboldt.

Guten Tag, Professor Lubrich. Hallo, Men.

Ab wann empfanden Sie Sympathien für Alexander von Humboldt?

Als Student war ich in Venezuela und sah dort an den entlegensten Orten Statuen von Humboldt, doch auch Strassen, Parks und öffentliche Plätze waren nach ihm benannt. Da im deutschsprachigen Raum aber kaum Ausgaben von ihm erhältlich waren, konnte ich das Original seines Reiseberichts nur in einer Bibliothek lesen. Viele seiner Schriften waren noch neu zu entdecken. Es ist dabei sehr beeindruckend, unter welchen Bedingungen er reiste. Mich faszinierten seine Offenheit gegenüber fremden Kulturen und seine schriftstellerischen Versuche, sie zu beschreiben.

Welche empfanden Sie als die interessanteste Reise Humboldts?

Humboldt war fast unentwegt unterwegs. Seine wohl berühmteste Reise, die man am ehesten mit Humboldt in Verbindung bringen würde, ist die nach Amerika (1799– 1804), doch faszinierend ist auch seine Reise durch das russische Asien (1829). Sie dauerte weniger lange, und sie fand unter politischer Überwachung und Zensur statt. In Russland begegnete er politischen Dissidenten, die nach Sibirien deportiert wurden.

Was lehren Sie Ihre Studenten über Alexander von Humboldt?

Wir studieren seine Schiften. Wir fragen uns, wie beschreibt er Völker in Übersee? Und wie versteht er sie im Zusammenhang ihrer natürlichen Umwelt? Und wir betrachten seine Bilder, denn Humboldt war auch Zeichner und Graphiker.

Wie verfolgen Sie die Spuren, die er auf seinen Reisen zurückgelassen hat?

Das können wir auf unterschiedliche Weisen tun. Nicht nur, indem wir seine Schriften lesen und seine Bilder betrachten. Wir können ihm nachreisen, etwa nach Mexiko oder Kuba, wo man in Havanna sein ,,Instrumentenhaus‘‘ besichtigen kann, das heute ein Museum ist. Wir können aber auch Naturphänomenen, die er beschrieben hat, beobachten – und die Welt mit Humboldtschem Blick wahrnehmen.

Wie könnte Humboldt in Vergessenheit geraten?

Ich bin nicht der Ansicht, dass Humboldt in Vergessenheit gerät. Im Gegenteil, er ist einer der bekanntesten Forscher des 18./19. Jahrhunderts. Es gab und gibt Ausstellungen, die von ihm handeln, wie zuletzt zum Beispiel ,,Botanik in Bewegung‘‘ im Botanischen Garten Bern. Humboldt in Berlin.

Was sagen Sie zu Humboldts Homosexualität?

Was soll man dazu sagen? Dieses Thema finde ich eigentlich kaum interessant. Interessiert es uns, ob ein Freund oder Kollege homosexuell oder heterosexuell ist?

Was hatte er, was sein Bruder Wilhelm von Humboldt nicht hatte?

Wie viele Brüder entwickelten sich Alexander und Wilhelm recht unterschiedlich. Alexander interessierte sich vor allem für Natur-, Wilhelm eher für Geisteswissenschaften – und für Bildungspolitik.

Wie gedenken Sie, könnte man Humboldt in der Schweiz wieder ein wenig Popularität verleihen?

Ich denke, das geschieht bereits. In Bern gibt es sogar eine Humboldtstrasse. An der Universität Bern haben wir seine „Sämtlichen Schriften“ herausgegeben. Humboldt hat, bevor es den Begriff gab, ein ökologisches Denken entwickelt – und dies geschah nicht zuletzt in der Schweiz, die er mehrfach bereiste.

Vielen Dank, Professor Lubrich.
Ich danke dir sehr herzlich - Men.

Prof. Dr. Oliver Lubrich
Professor Universität Bern
Institut für Germanistik