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Emina und Guenaël Köpplin empfangen mich in ihrem hellen und grossen Wohnzimmer in der stilvoll renovierten und elegant eingerichteten Schifflaube 52. Die Sicht auf die Aare und hinüber zum Restaurant Zähringer muss bereits beim Neubau vor 1900 ähnlich ausgesehen haben. Wir haben es uns am grossen Esstisch gemütlich gemacht. «Wir sind so glücklich hier in der Matte», sagt Emina sprudelnd. Erst kürzlich ist das Paar mit ihren drei Kindern in die Matte gezogen, denn bereits seit September 2019 betreibt Emina den Pompadour Barber Shop im gleichen Haus. «Jeden Tag von Schwarzenburg nach Bern zu fahren war nicht wirklich effizient. Deshalb freuten wir uns, als die Wohnung oberhalb vom Geschäft für uns frei geworden ist. Jetzt kann ich auch mal kurz Pause machen und nach oben gehen», erzählt sie weiter.
Emina Köpplin Serifi wurde 1976 in Belgrad geboren und fand vor rund 20 Jahren den Weg in die Schweiz. «Nicht des Geldes wegen!», sagt sie lachend. « Sondern wegen der Freiheit, denn wenn du in einem ehemaligen kommunistischen Land gelebt hast, dann ist Freiheit ein wichtiges Gut. Ich erinnere mich, als in den frühen 90er Jahren die Geldentwertung enorm war. Da bekam mein Vater einen Lohn von 10000 Dinar und bis er mit dem Geld zu Hause ankam, war der Lohn vielleicht noch 3.00 Euro wert. Geld ist natürlich schon wichtig, aber nicht das Wichtigste», betont sie. Emina ist eine Frau, die weiss was sie will. Sie ist kommunikativ, offen, grosszügig, herzlich, lebhaft, neugierig und impulsiv. «Manchmal bin ich wohl ein bisschen zu impulsiv.» Emina ist direkt und sie sagt was sie denkt. «Ist nicht immer gut», sagt sie selbstkritisch. «Ich würde sagen, du bist lebendig und bei dir weiss man, woran man ist», wende ich ein.
Sie schaut mich wieder mit ihren dunklen Augen an und strahlt. Sie hat viel zu erzählen und es macht grossen Spass, ihr zuzuhören. Hat sich Emina etwas in den Kopf gesetzt, dann erreicht sie es auf liebenswürdige und charmante Art.
«Wie habt ihr euch denn kennengelernt?»
will ich wissen «Eine Cousine von Emina verkuppelte uns. Als wir uns das erste Mal begegneten, war es Liebe auf den ersten Blick», erzählt Guen. «So schnell», sage ich neugierig und erstaunt.
Die beiden schauen sich verschwörerisch an. Dann ging alles zügig voran: 2004 hat sich das Paar kennengelernt, 2005 geheiratet und 2006 kam Xavite auf die Welt, 2008 Nael und 2010 Maira. Xavite, der Älteste, ist noch in Schwarzenburg lebt unter der Woche bei seiner Grossmutter, bis er sein Schuljahr abgeschlossen hat. Mayra und Nael gehen hier in der Matte zur Schule und haben sich bereits sehr gut eingelebt. Vor allem die quirlige Mayra hat längst viele Freundinnen gefunden.
Emina und Guen sind gut aufeinander abgestimmt und ergänzen sich hervorragend. Emina ist die Chefin im Barbershop und er der Chef im Haus.
«Hinter einer starken Frau steht auch ein starker Mann», sage ich aus Erfahrung. Es folgt ein verständnisvoller Blick zwischen den beiden. Emina lacht. Guen unterstützt seine Frau, wo er kann, erledigt die Hintergrundarbeit wie Buchhaltung, bedient die Socialmedias, organisiert, kauft ein, kocht – und tatsächlich sehe ich ihn ab und auf dem Bänkli vor dem Haus eine Entspannungszigarette rauchen …
«Was war die Motivation einen eigenen Barbershop zu eröffnen?», frage ich Emina
«Damals, als ich in die Schweiz kam, habe ich einen Job als Herrencoiffeuse und Barbiere gesucht. Ich bekam oft Absagen, denn die Salons bevorzugten männliche Mitarbeiter und zudem war ich Ausländerin, da war es schon schwierig, Fuss zu fassen. Das war mit ein Grund, wieso ich mich später selbstständig gemacht habe. Ich hatte Mühe anzunehmen, dass dies eine Frau nicht könne. Ich habe mein Handwerk gelernt», sagt sie bestimmt. Ihre Augen funkeln. «Weisst du es war wirklich nicht einfach, in eine Männerbastion vorzudringen, doch heute gibt es vermehrt auch Frauen, die diesen Beruf ausüben.»
Ihren eigenen Barbershop eröffnete sie nach der Geburt der drei Kinder im Jahr 2011 in Schwarzenburg. Sie wirkte seit längerer Zeit in der ortsansässigen Kita als Allrounderin mit. «Nach rund 2 ½ Jahren, nach der Eröffnung, war ich bereits ausgebucht und die Männer kamen von überall her. Ich gab meine Stelle bei der Kita auf und konzentrierte mich auf mein Geschäft. Allerdings träumte ich schon länger davon, einen Barbershop hier in Bern zu eröffnen. Guen und ich sahen unabhängig voneinander ein Inserat, dass ein Lokal an der Schifflaube 52 zu vermieten sei. An einem Frühlingsnachmittag spazierten wir der Aare entlang und besichtigten das Haus von aussen und für uns war es klar, dass dies der perfekte Ort für den Barber Shop in der Stadt sein musste.
Als wir die Räumlichkeiten zum ersten Mal auch von innen sahen, mussten wir nicht lange überlegen und freuten uns, dass wir tatsächlich kurz darauf die Zusage erhielten. Wir wussten auch schon, wie wir den Raum einrichten würden – so im «Oldschool-Style». Seit September 2019 bin nun hier an der Schifflaube 52. Im September 2020 konnte ich zwei junge «Barber» einstellen. Wir wachsen zu einem Team zusammen und das macht Spass. Arbeit gibt es für alle genug», sagt sie begeistert.
«Was ist dein Erfolgsrezept?»
«Ich habe Menschen gerne, ich liebe mein Handwerk und vor allem sehe ich meine Arbeit auch als Kunst. Es freut mich, wenn ich eine spezielle Frisur, einen speziellen Bartschnitt gestalten kann.»
«Was sind das für Menschen, die zu dir zum Haareschneiden kommen?»
«Es sind Menschen, die wie ich gerne gepflegt sind. Und weisst du, wenn sie von mir weggehen, gehen sie mit einem Kunstwerk hinaus. Denn jeder Bart, jede Frisur ist ein Kunstwerk. Ich will nicht nur 08.15 Bärte oder Frisuren. Ich bin tatsächlich auf Männer spezialisiert. Frauen sind hier ausgeschlossen, ausser mir!», lacht sie laut. Sie sprüht vor Energie.
Nicht ohne Stolz erzählt Emina, dass sie internationale Barbers für Weiterbildungskurse einladen kann, die ihr Können hier in ihren Räumlichkeiten weitergeben. «Das ist auch Werbung für uns und wir können von ihnen sehr viel lernen.»
Und meine obligaten Fragen zum Schluss unseres Gesprächs
«Wie erlebt ihr die Matte?»
«Es ist eine spezielle Energie. Hier unten und mitten in der Stadt zu wohnen ist schon ein Privileg», meint Emina. «Manchmal ist es allerdings auch zu ruhig hier und da muss man aufpassen, dass es nicht ein «Ballenberg» aus der Matte geben wird. Es ist gut, dass nun die Restaurants wieder aufgehen, und ich freue mich, wenn die Leute im Zähringer im Garten sitzen und das Leben zurückkommt», wendet Guen ein.
«Es ist schon speziell hier wohnen und arbeiten zu dürfen», sagt Emina zum Abschluss unseres Gesprächs.
Herzlichen Dank für die kurzweilige Unterhaltung, wir hätten noch stundenlang zusammen sprechen können.
Bilder: Nicole Stadelmann
Text: Rosmarie Bernasconi