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Erster Roman von Bendeikt Meyer
Ich schwang mich in der Gerberngasse aufs Rad, fuhr zum Bahnhof und war am nächsten Morgen in Bremerhaven. Dort pedalte ich in sträzendem Regen zum Meer. Am Quai lag ein Containerschiff. Ich hievte mein Rad an Bord und öffnete meine Tasche. Ganz oben lag eine Fotografie. Schwarz-weiss, von 1891.
Stephanie (hinten links) war ein versehentliches Kind. Die Schwangerschaft kettete zwei Menschen zusammen, die nicht zueinander passten. Vater Jules flüchtete sich in den Alkohol, Mutter Martina in die Religion – und Stephanie in Träumereien vom Auswandern. Als sie 19 Jahre alt war, bot sich dafür endlich die Gelegenheit. Der Abschied war der Auslöser für das Bild. Zu Fuss gingen die Cordeliers in die Stadt, liehen sich Kleider vom Fotografen, damit sie nach etwas aussahen. Kettchen gaukelten Taschenuhren vor, die sich die Familie nie und nimmer leisten konnte. Die Schuhe waren staubig wie eh. «Legen Sie Ihrer Frau doch die Hand auf die Schulter», muss der Fotograf noch gesagt haben. Jules tat es in einer Art, die keine Verbindung herstellt: Seine Hand lastet auf Martinas Schulter. Ein Sinnbild für den Zustand der Ehe.
Ich zog trockene Kleider an und wenig später legten wir ab. 4000 Container, die Crew und ich steuerten westwärts. Westwärts zog kurz nach der Aufnahme auch Stephanie. In Antwerpen bestieg sie die «Westernland», wo sie im Zwischendeck eine Pritsche bezog. Sie erreichte die USA nach 12-tägiger Überfahrt. Und machte in Ohio Erfahrungen, die sie für den Rest ihres Lebens prägten. Aus dem fremdbestimmten kleinen Mädchen wurde eine entschlossene Frau
Auch ich erreichte New York, nur zwei Tage schneller, als Stephanie. Ich pedalte westwärts und erreichte Ohio. Stephanies Geschichte hatte mich immer schon fasziniert, nun wollte ich sehen, wo sie gelebt hatte. Im Lauf meiner Recherchen stiess ich auf streitlustige Pfarrer, gewiefte Dienstmädchen und diskutierfreudige Papageien. Auf die Liebe und den Tod. Und auf aberwitzige Zufälle. Wie beispielsweise bei der Geschichte mit dem Papagei, dem Hotelier, den Brownies und der Berner Spelunke.
Zuhören und lesen
Bendedikt Meyer erzählt aus seinem Roman am Dienstag, 20. August, um 19.00 im Stiftsgarten, in der Reihe Literatur im Stiftsgarten
Das Buch aus dem Zytglogge-Verlag ist bei der Buchhandlung «Einfach Lesen» an der Schifflaube erhältlich.