- Details
Dreimal bin ich die steile Burgtreppe in der Mattenenge zu den Fischers hochgestiegen. Das erste Mal war es im Februar 2018, als Elfie und Michael Fischer zum alljährlichen Fasnachtsapéro mit ihrer Guggenmusik ‹Tabula Rasa› eingeladen haben. Dort, wo normalerweise seltene Gegenstände restauriert und wo am Detail gearbeitet wird, fand ein farbenprächtiges Treiben statt. Zwei Stunden voller ‹Äctschen› und schräger Musik, bevor es dann hinauf zum Käfigturm und zur Bärenbefreiung ging.
Das zweite Mal durfte ich Michael Fischer während der Restaurierungsarbeiten der historischen Figuren vom Zytgloggeturm – im Mai 2018 – besuchen. Nicole Jenni, eine Mitarbeiterin, war damals gerade damit beschäftigt, das Astrolabium herzurichten. Michael zeigte mir voller Stolz die Figuren, die bereits restauriert waren und wieder glänzten.
«Welches ist deine Lieblingsfigur?», fragte ich ihn? «Der Narr natürlich!» «Was denn sonst», dachte ich für mich. Michael liess sich gerne mit der knallroten Figur ablichten. Er erklärte mir mit seiner sonoren Stimme die Viel-fältigkeit seiner Arbeit und ich marschierte mit meiner Kamera staunend durch das geräumige Atelier.
Das dritte Mal schliesslich traf ich dasPaar Michael und Elfie Fischer sowie deren Nachfolger Matthias Kilchhofer im Juli 2018 für den Mattegucker. «Wo wollen wir beginnen?», frage ich. Ich schaue in die Runde. Es stehen viele Themen im Raum, die von drei spannenden Menschen erzählen können, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da ist Michael Fischer, der mich an einen barocken, italienischen Künstler erinnert und seine Geschichten im breitesten Berndeutsch erzählt. Und Elfie, die sich bescheiden im Hintergrund hält, und der junge, aufstrebende Nachfolger Matthias Kilchhofer.
Michael und Elfie Fischer sind beide Restauratoren und begeisterte Musiker, besessene Fasnächtler, kreative Menschen. Sie arbeiten als hervorragende Restauratoren der sich an vielen wichtigen Orten einen soliden Namen gemacht haben. Wer den Zytglogge restaurieren darf, muss etwas können! Aber wo beginnen, bei dieser Vielfalt?Und da wir schon bei den Narren sind, liegt die Fasnacht auf der Hand.
Fasnacht
«Wann habt ihr mit «fasnächtle» begonnen?», frage ich. «Angefangen hat alles vor rund 27 Jahren», sagt Elfie. «Da waren wir noch in der Ger- berngasse. Wäh- rend ich am Ar- beiten war, habe ich die Guggen- musik vom Fast- nachtsumzug gehört. Es hat gekesselt und gedröhnt. Das hat mich fasziniert. Mir haben Farben, Musik und die bunten, geschmackvollen Kleider sofort gefallen. Meine Schwägerin war damals bei den ‹Noteschletzter› aus Burgdorf. Michael und ich stiegen dann bei dieser Guggenmusik ein. Nach rund drei Jahren kam es zum Bruch mit den ‹Noteschletzter›, und so gründeten wir damals, vor 24 Jahren, die ‹Guggenmusik-Tabula -Rasa› in Bern. Wie lange es ‹Tabula Rasa› noch geben wird, wissen wir nicht, denn es sind doch viele vonden Mitgliedern schon etwas älter und ob die Jüngeren dies noch weitermachen wollen, steht in den Sternen.» Elfie war 18 Jahre lang Autorin des 11.11.11.11h, Fasnachtsauftakts. Wie kam es dazu? Ganz einfach, wo ein Bär befreit wird, ist damit zu rechnen, dass man diesen wieder einsperrt. Kinder haben das schon immer gewusst. Seit dem 11.11. 1999 wird der Fasnachtsbär durch Berns Narren und durch das Fasnachtspatronat, dem Stadtpräsidenten und seinem Vize, in sein Winterlager begleitet. Der 11.11. steht jedes Jahr unter einem eigenen Motto, das hingegen nicht für die Fasnacht gilt! Dieser Narrenspruch und ein paar Worte eines Patronatsmitglieds sind Tradition. Das Fasnachtsschloss, das bis zur nächsten Fasnacht am Käfigturm hängt, schützt den Bären vor Eindringlingen, schliesslich braucht er seinen Winterschlaf. Bei der Bärenbefreiung wird das Schloss wieder weggenommen und in der ‹Zunft zur füfte Jahreszyt› bis zum nächsten 11.11. von unserer Schlossverwalterin und den Zunftangehörigen gehütet. Elfiehat im Jahr 2017 dasletzteMal den 11.11.11.11.h. organisiert. «Wieso hast du demissioniert?»
«Es war an der Zeit, dass es jetzt jemand anderes macht. Es war mir wichtig, dass ich den neuen Stapi Alec von Graffenried noch zu diesem Anlass begleiten durfte, somit waren es drei Stapis, die ich in diesen 18 Jahren erlebt habe», erzählt sie.
«Was gefällt dir an der Fasnacht?»
«Die Narrenfreitet. Allerdings haben wir zu wenig Narren, und mehr Till Eulenspiegel täten der Gesellschaft gut. Ich denke, dass die Narrenfreit mit nötigem Respekt gelebt werden soll. Denn es ist schon wichtig, dass die Narren der Gesellschaft den Spiegel vorhalten», betont Elfie. «Wir werden natürlich nach unserer Pensionierung weiterhin aktive Fasnächtler bleiben. Aber vorerst werden wir noch anderes zu regeln haben», bringt sich Michael wieder ins Gespräch.
Michael und Elfie planen ihren Rückzug aus dem Geschäft.
2019 werden sich Elfie und Michael aus ihrem Geschäft zurückziehen und dieses ihrem Nachfolger Matthias Kilchhofer übergeben.
«Kannst du dir wirklich vorstellen, dich aus dem Geschäft zurückzuziehen», frage ich Michael. Elfie lacht laut.
«Wir müssen uns sicher organisieren, das ist keine Frage. Wir haben lange Zeit keine Ferien gemacht und sind wenig herumgereist, da haben wir natürlich einen grossen Nachholbedarf. In unseren wenigen Ferien fuhren wir regelmässig nach Südfrankreich oder zu meiner Schwester, die an der slowenischen Grenze lebt. Ein Ziel ist es auch Italien zu bereisen, vor allem Rom und Venedig», erzählt Michael.
Als wir von Rom sprechen, strahlt Matthias, der bis jetzt ruhig zugehört hat. «Ich lebte ein Jahr in Rom und es hat mir unglaublich gut gefallen. Also müssen Elfie und Michael unbedingt hin!», sagt er begeistert.
«Die Baukunst, die Oberflächen und Dekorationsmalereien, alles ist in Hülle und Fülle vorhanden und wäre in Bezug auf die Antike natürlich ein Geschenk für die beiden Restauratoren Michael und Elfie», erklärt Matthias euphorisch.
«Wir haben verschiedene Einladungen auch nach Venedig gehabt – und wir haben es nicht geschafft hinzugehen. An meinem 50. Geburtstag waren wir in der Nähe von Rom und auch da haben wir es nicht zustande gebracht Rom zu besuchen. Nun, dafür haben wir es jetzt noch vor uns», meint Elfie.
«Wir können übrigens an keiner Kirche vorbei. Wir schauen tausende Kirchen an», wendet Michael ein. Wir reden alle durcheinander – begeistert von Kirchen und Formen. Jeder hat seine Vorstellung, wieso man eine Kirche anschauen kann und hinein gehen soll. Natürlich ist es für Elfie, Michael und Matthias sicher vor allem die berufliche Neugierde
Michael lenkt das Gespräch nochmals auf die Restaurierungen hin
«Mein Vater war einer der ersten Restauratoren und ein ausgezeichneter Zeichner. Die Malerei am Ländtetor in der Matte ist von ihm», sagt Michael nicht ohne Stolz. «Er hat viel für die moderne Arbeitsweise in der Restaurierung getan. Sorgfältig und genau zu konservieren, was noch zu retten ist und nicht einfach etwas zu übermalen. 1943 hat es mit der neuen, zurückhaltenden Art von Restaurierungen begonnen. Das hing nicht zuletzt mit dem Brand der Kirche in Saanen zusammen. Dort begann eine umsichtigere neue Restaurierungsphilosophie – erst dann wurde die Denkmalpflege ernst genommen und organisiert eingeführt.
Der Nachfolger Matthias Kilchhofer
Seit neun Jahren arbeitet Matthias Kilchhofer im Betrieb. «Wirst du ihm zur Seite stehen?», will ich von Michael wissen.
«Natürlich werde ich ihm beratend zur Seite stehen, wenn er das wünscht.» Michael schaut freundlich zu Matthias. «Wir haben keine Nachkommen», sagt Elfie. «Die Nachfolgeregelung mit Matthias ist deshalb eine sehr gute Lösung», ergänzt Michael.
Matthias absolvierte die Fachhochschulausbildung für Konservierung und Restaurierung und den MAS Denkmalpflege ETH. Er findet, dass dies eher eine theoretische Ausbildung war.
«Ich bin froh, konnte ich dann in den Betrieb hineinwachsen», betont er. «Und ich kann natürlich von Michael und Elfie sehr viel profitieren. So habe ich in den letzten zehn Jahren viel in der Praxis gelernt. Theorie und Praxis gehören schon eng zusammen und so ist es heute für mich ein grosser Vorteil, dass ich in diesem Betrieb viel umsetzen und lernen konnte. Es ist sicher auch ein Gewinn, wenn man eine praktische Lehre machen kann, wie z.b. Maler oder Vergolder. Aber ich denke, dass ich in den letzten Jahren viel aufgeholt habe und jetzt traue ich mir zu, das Geschäft zu übernehmen und ich freue mich auch darauf», sagt er bestimmt. «Ich weiss, dass Michael und Elfie hilfreich zur Seite stehen werden, wenn ich es benötige.»
Michael nickt dazu heftig.
Es war ein lebendiges und spannendes Gespräch mit Michael, dem hervorragenden Geschichtenerzähler und Restaurator. Elfie, der begeisterten Restauratorin und Fasnächtlerin und Matthias, dem jungen, aufstrebende Restaurator, der sicher im Sinne von Elfie und Michael den Betrieb weiterführen wird.
Nach rund 90 Minuten steige ich wieder dieTreppe hinunter. Die vielen Eindrücke hallen noch lange nach und so marschiere ich gedankenversunken durch die Matte.
Firmengeschichte – fischer-restauratoren.ch
Das Unternehmen wurde im Jahr 1943 von Hans Alexander Fischer als Restaurierungsatelier und Einzelfirma mit Sitz im Lorrainequartier in Bern. Hans Alexander Fischer erlernte sein Handwerk als Maler und Restaurator in der Firma de Quervin & Schneider in Bern. Im Anschlusswurde er an der École national desBeaux-Artsin Dijon zum Freskanten, Kunstmaler und Graphiker ausgebildet.
Das Unternehmen wird von Hans Alexander Fischer bisin die späten 1970er Jahre alsLehrbetrieb geführt. Weil damals in der Schweiz keine schulischen Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich Restaurierung existierten, war die Ausbildung von Lehrlingen neben der firmeninternen Weiterbildung von Berufsleuten aus dem Malergewerbe die einzige Möglichkeit, Fachkräfte in diesem Gebiet zu qualifizieren. Angesichts der Problematik einer fehlenden Ausbildungsmöglichkeit für Restauratoren in der Schweiz entwickelte Hans Alexander Fischer zusammen mit dem damaligen Denkmalpfleger desKantonsBern, der Stadt Bern und der Burgergemeinde Bern ein erstes Projekt für Lehrwerkstätten für Restauratoren. Als Trägerschaft der geplanten Institution wird die Bernische Denkmalpflegestiftung gegründet. Nach dem Ausscheiden von Hans Alexander Fischer aus dem Projekt sollte es schliesslich noch über zehn Jahre dauern, bis in den 1980er Jahren mit der Fachklasse für Konservierung und Restaurierung an der Kunstgewerbeschule Bern eine schweizweit erste Ausbildungsstätte für Restauratoren geschaffen werden konnte.
DieFirma verlagert 1986 ihren Sitz von der Lorraine ins Berner Mattequartier.
2013 wurde eine Nachfolgeregelung gefunden.
Vielen herzlichen Dank, dass ich euch in diesem Jahr in euren verschiedenen Lebensbereichen begleiten durfte. Jedenfalls wünsche ich Elfie und Michael endlich eine schöne Reise bis nach Rom und Matthias ein gutes Gelingen beim Verschmelzen von Theorie und Praxis zur Perfektion. Rosmarie Bernasconi