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Stiftsgarten, ein ökologisches Lebensprojekt
«Als wir an der Badgasse 40 über die schmale Holztreppe zum Stiftsgarten kommen, finden wir dort zwei Landvermesser, eine Tibetanerin, eine Bewohnerin der Badgasse, alle schon fleissig am Arbeiten im Garten. Dann kommt eine grosse, schlanke Frau in einem grünlichen Leinenhemd auf uns zu, stellt sich vor als Angela Losert und lädt uns zur Besichtigung des Stiftsgartens ein. Die Beeren in den ersten Reihen machen sich gut neben den Traubenstöcken. Ein grosser Fliederbusch duftet und Bienen summen. Da und dort liegt ein Werkzeug, Gras überwuchert die Ränder. Oben in der Altstadt Bern hat der Tag schon lange angefangen. Die Glocken im Münster läuten: Zehn Uhr. Angela Losert sagt fast entschuldigend, dass es längst noch nicht fertig sei, dass der Garten während fünf Jahren sich selber überlassen war. Vorher war das eine Gärtnerei gewesen. Das Haus oben über dem Garten war das Stiftsgebäude. Dies gehörte zu einem Frauenkloster. Schon der Name weist darauf hin. Durch Spenden, Stiftungen wurden Klöster unterhalten. Jetzt gehört das Gebäude wie das Land hier dem Kanton Bern. Den Namen aber hat es behalten. Auf Spenden sei auch dieser Garten sehr angewiesen, so ist Stiftsgarten gerade der richtige Name.»
Wir fragen, wie sie zu diesem Garten gekommen ist.
«Eine ganz normale Geschichte.» Angela lächelt. «Schule. Im Studium der Geographie und der Botanik hat sie die Liebe zu Pflanzen entwickelt. Dann habe sie anfangen zu «gärtnere» nebenbei. Aber den Traum vom grossen Garten hat sie immer gehabt, gearbeitet hat sie bei Fair Trade und zurzeit mit Flüchtlingen beim HEKS. Eine Frau aus Tibet arbeitet auch im Garten. Sie hilft mit und so lernt sie auf diese Weise Deutsch.»
Was pflanzt ihr?
«Berner Beeren ist das Motto des Gartens, auch ältere, vergessene Sorten wie Strauchbeeren, Cassis, Trauben … Aber was viele nicht wissen: Auch Tomaten, Kürbis, Auberginen und Beeren.» Angela zeigt nach oben und meint: «Dort entsteht ein kleines Haus, ein Haus zum Ausruhen und um die Geräte abzustellen. Hier ist immer viel Sonne. Es wird sehr heiss am Nachmittag.»
Wie ist die Idee für den Garten entstanden?
«Früher war hier eine Gärtnerei. Es ist Gartenland. Das ist gesetzlich festgelegt. Darum ist das Land nicht so teuer. Ich konnte es langfristig mieten. Es sollte weiterhin gärtnerisch sein. Ich musste beim Staat lange anfragen, doch wir haben ihn dann bekommen, meinen Traumgarten. Ich habe die Stiftsgarten GmbH gegründet. Sie ist als Gemeinnützige Gesellschaft anerkannt. Damit kann man nicht viel Geld verdienen. Die Schulklassen können helfen kommen. Es brauchte ein Startkapital von 20 000 Franken. Meine Eltern haben es mir zur Verfügung gestellt aus dem Erbe meiner Grossmutter. Es ist das dritte Jahr, das ich hier arbeite. Ich bekomme auch Spenden. Einige gemeinnützige Organisationen schenken mir Bäume. Es musste so viel wieder neu gemacht oder repariert werden bevor, es richtig los gehen konnte mit der Bepflanzung.
Das Interview haben Schüler der 5. Klasse geführt. Auf dem Bild Noah, Angela und Jonas.
Wie geht es in Zukunft weiter? Wie viel Ernte wird es geben?
Ich selber brauche etwa 4000 Franken zum Leben, so viel hoffe ich, dass ich verdienen kann. Mit Produkten, Stiftsgartenführungen, Fortbildungen … Oben gibt es auch einen Apéro wenn das Haus fertig ist und Kulturveranstaltungen, Lesungen im Sommer. Die Matte-Einwohner sind sehr willkommen. Im Moment kommen einige von der Badgasse ab und zu. Noch nicht allzu viele. Sie schauen sich um, arbeiten. Es kommen auch andere, meine Bekannten, Freunde. Es kommen Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die gesundheitliche Probleme haben und ein wenig Deutsch können. Wenn sie im Heim sind, denken sie nur an ihre Familie, hier können sie körperlich arbeiten und sich auf Deutsch unterhalten. Später möchte ich Leute bezahlen können. Die katholische Kirche zahlt hnen jetzt zum Teil auch etwas, weil Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen.
Gibt es verschiedene Tiere im Garten?
Eine Katze klettert rum und ist immer da. Eine andere ist heute zum ersten Mal hier und lässt ihren Dreck da. «Katzendreck ist nicht wirklich Dünger. Es hat viele Vögel, welche Nester bauen, die jungen piepsen, Mäuse … Sogar ein Fuchs hat in diesem Garten fünf Jahre lang gelebt aber jetzt ist er weg. Viele verschiedene Arten von Wildbienen und Bienen halten sich im Garten auf. Es gibt hier sehr viel eBlumen und das gefällt ihnen. Ich hätte gern Igel aber es kam noch keiner, auch Hühner, aber das ist ja hier kein Bauernhof.»
Wie kommen Sie zu Pflanzen?
«Viele habe ich gekauft. Dann kommen die Baby-Stängel. Das machen die Pflanzen selber. Diese kann man abschneiden und anschliessend etwas Neues pflanzen. Salbei kann ich verkaufen, Ich verkaufe auch junge Pflanzen: Erdbeeren, Salbei, Beinwell. Im Garten machen wir auch Veranstaltungen, Lesungen in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Einfach Lesen an der Badgasse 4. Meine Arbeit beim HEKS beende ich Ende Juni – nach 10 Jahren – und beginne hier einen Vollzeitjob.»
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
«Ich bin geschäftig. Ich habe Rückenschmerzen. Die Reben blühen. Der Garten ist gepflegt. Viele Leute kommen. Sie lernen in Kursen den biologischen Anbau kennen. Ich wohne da beim Buchladen, seit zwei Jahren. In der Freizeit gehe ich schwimmen. In meiner Jugend war ich eine richtige Wettkampf-Schwimmerin. Jetzt gehe ich ins Marzili schwimmen. Ich lese, wandere, gehe ab und zu ins Kino und auch ein wenig an Konzerte. Ich würde gerne in einem Chor singen. Jetzt steht viel Arbeit an und es bleibt kaum Zeit für Hobbys.»
Wo verkaufen Sie Gartenprodukte?
»Es ist möglich, diese selber zu pflücken und etwas ins Kässeli zu legen. Ich verkaufe diverse Produkte auch am Marktstand. Ich möchte mit ein paar Leuten Konfitüre kochen, im Laden verkaufen, oder bei der Gelateria di Berna …Ich habe aber noch nicht angefragt. Die Pflanzen sind jung. Ich habe keine Angst, dass die Produkte nicht verkauft werden. Die Erdbeeren sind jetzt reif. Jeden Morgen kann man sie ablesen oder in den Läden oder in Restaurants anbieten. Biologisch angebaut. Die Einwohner können hier ihren Kompost leeren. Ja, kompostieren ist so ein Thema. Ich schreibe schon Zettel auf den Kübel: Kein Brot, kein Fleisch, Eierschalen nur klein zerbrochen. Die Kompostabfälle sollen roh und pflanzlich sein, man muss Holzspäne darüber werfen. Dann machen Luft und Wasser zusammen mit kleinen Tieren daraus den Kompost.» Wir bedanken uns, wünschen «Alles Gute!» und bekommen zum Abschied Erdbeeren und eine Salbei-Pflanze. Ein Geschenk für unseren Umzug nach Wankdorf. Angela lädt uns ein, jederzeit im Garten mitzuhelfen.
Angela Losert erhielt den Prix Nydegg
Petrus war dem Anlass hold: Unter strahlend blauem Himmel nahm Angela Losert am Freitag, 20. Mai im Stiftsgarten bei einem Apéro den diesjährigen Prix Nydegg entgegen. Der mit 1000 Franken dotierte Preis wird alle zwei Jahre an öffentliche Projekte oder Institutionen vergeben, die dazu beitragen, den Raum Nydegg «wohnlicher oder menschlicher» zu gestalten. Herzlichen Glückwunsch
Rita Jost überreicht Angela Losert den Prix Nydegg Bild: Bettina Hanloser
Infos zum Spendenkonto:
Spar und Leihkasse Münsingen, 3110 Münsingen, PC 30-38161-3, I IBAN: Ch62 0636 3016 1325 2660 6
Die Spenden werden in den Wiederaufbau der Gartenanlage, die Bepflanzungen und in die Bildungsarbeit investiert.