Entstehung

Zufall, Schicksal, Fügung - die Entstehung des Theater Matte hört sich wie ein kleines Wunder von Bern an: Im Sommer 2009 wird in einer Bar im Berner Mattequartier darüber gesprochen, was mit dem Saal im Berchtoldhaus an der Mattenenge 1 geschehen soll. Nach rund 70 Jahren gibt die Kirchgemeinde Nydegg nämlich die Nutzung des Saals auf. Zufälligerweise befinden sich Livia Anne Richard und Markus Maria Enggist, Initianten des Freilichttheater Gurten, am Nebentisch und wittern spontan ihre Chance. Fünf Minuten später stehen die beiden Theaterprofis am Ort der Diskussionen und wissen sofort, was sie wollen: Ein kleines Theater-Bijou in einmaliger Lage direkt an der Aare soll entstehen. Ohne noch lange zu überlegen, schlagen sie zu und mieten per 1. März 2010 das Objekt ihrer Träume. Sie gründen mit dem restlichen Theater Gurten-Team (Annemarie Morgenegg, Hank Shizzoe, Fredi Stettler) den Verein Theater Matte Bern und kommen so zum eigenen Theater – gewissermassen wie die Jungfrau zum Kinde. In Eigenregie und mit viel Herzblut werden in den Sommermonaten die Räume (Theatersaal, Garderobe, Foyer, Pausenbar, Büro) umgebaut und am 23. Oktober 2010 erlebt das Theater mit der Premiere der berndeutschen Fassung von «Der Panther» (Felix Mitterer) seine Geburtsstunde.

Endemble Matte-Theater 2014

vordere Reihe: Peter Kaufmann, Katrin Schilt, Jürg Stoller, Livia Franz, Nick Frei
hintere Reihe: Christiane Wagner, Nicole D. Käser, Fredi Stettler, Annemarie Morgenegg, Markus Maria Enggist, Livia Anne Richard, Hank Shizzoe

Konzept

Das rund 100 Plätze bietende Theater Matte, ist die einzige professionell geführte Mundart-Bühne der Stadt Bern. Damit besetzt das Kleintheater im Kulturangebot der Stadt eine Nische, welche beim Publikum auf grosses Interesse stösst: Die Zuschauerauslastung von jeweils deutlich über 90 Prozent pro Spielsaison spricht für sich.
Der Berner Dialekt entwickelt auf der Bühne eine grosse Direktheit und Authentizität. Zudem ist das lautmalerische Bärndütsch mit seinem riesigen Wortschatz prädestiniert, Gedanken und Gefühle absolut präzise zu vermitteln. Deshalb spielt die "Mund-Art" in den Programmen des Theaters auch weiterhin die Hauptrolle. Zudem sollen vermehrt auch Schweizer Autoren auf die Bühne gebracht werden – so in der Spielsaison 2014/2015 je ein Stück von Matto Kämpf und Franz Hohler.

Aktuell

Das Theater Matte steht nun bereits in seiner fünften Spielsaison und ist aus Berns Kulturleben nicht mehr wegzudenken. Die zeitgenössischen Mundartproduktionen berühren, bringen das Publikum mal zum Lachen, mal zum Weinen, lassen Nachdenken – kurz schlagen ein. Seit 2010 wurden 19 Stücke verschiedenster Autoren in berndeutschen Übersetzungen gezeigt. 62 Schauspielerinnen und Schauspieler standen auf der Bühne. An insgesamt 352 Tagen öffnete sich der Vorhang für über 30'000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Das Team freut sich über den bisherigen Erfolg, welcher jedoch nicht zum Ausruhen auf den Lorbeeren, sondern zum Weiterarbeiten und Optimieren animiert. Dies dokumentiert sich im Programm der Spielsaison 2014/2015, welches, als Ergänzung zu den vier fixen Mundart-Produktionen, ein Stück speziell für Kinder sowie drei "Specials" bietet.

Zusammengestellt von Peter Kaufmann

P. Kaufmann, L.A. Richard, M.M. Enggist im Gespräch

Und was ist in zwei Jahren?

Es ist kalt geworden in der Matte. Ich freue mich auf das Gespräch mit den Matte-Theaterleuten. Abgemacht habe ich mit Livia Anne Richard, Markus Maria Enggist und Peter Kaufmann.
Ich werde herzlich empfangen und gemütlich lassen wir uns an der Theaterbar nieder.
«Wo wollt ihr in zwei Jahren mit eurem Theater sein?», beginne ich unser Gespräch.
Markus: »In zwei Jahren möchte ich wieder vermehrt künstlerisch tätig sein. In den letzten Jahren haben wir alle viel Energie dafür verwendet, das Theater aufzubauen. Ich bin gerne auf der Bühne und möchte dies in Zukunft auch wieder häufiger sein.»
Livia: »Wir möchten uns noch mehr dem Mundarttheater widmen und unser Theater noch besser bei der Mundart positionieren. Mundarttheater ist eine Nische und diese wollen wir pflegen. Wir planen einen Autorenwettbewerb durchzuführen.»
«Ist hochdeutsch keine Option im Theater Matte?»
«Nein», kommt es unisono wie aus der Pistole geschossen.
Livia:«Klar, wenn es in einem Theaterstück eine Rolle erfordert dann kann es durchaus mal vorkommen, dass auch ein Zürcher oder Basler oder eben auch ein Deutscher einen Platz darin finden kann. Mundart aber steht definitiv im Zentrum unserer Stücke.»
Wir lachen.
Livia: »Ich würde gerne auch mal wieder mit Markus auf der Bühne spielen, doch dafür habe ich gar keine Zeit. Ich brauche mehr Aufwand um auf der Bühne zu sein als Markus und so ist die Rollenverteilung schon gegeben. Ich mag es, Regie zu führen, denn der Prozess ist mir wichtiger und wenn dann die Premiere vorbei ist, bin ich froh, dass ich mich wieder anderem zuwenden kann.»
Markus: «Und für mich ist es so, dass es mir Spass macht mit Livia zusammen zu arbeiten und ich auf der Bühne Vollgas geben kann.»
Livia: »Eine Rampensau eben», meint sie liebevoll.
Peter Kaufmann der zwischen den beiden sitzt, hat bis jetzt aufmerksam zugehört und irgendwie habe ich den Eindruck, dass es ihm ganz wohl ist dabei. Seine Augen blitzen und gehen bei unserem Gespräch von einem zum andern. Ab und zu meine ich ein Schmunzeln auf seinen Lippen wahrzunehmen. Peter ist nicht einer, der sich in den Vordergrund drängt. Er ist am 27.5.1948 im Zeichen des Zwillings geboren und ist seit rund drei Jahren im Team Theater Matte dabei.
«Ich wusste schon länger, dass ich mich frühzeitig pensionieren lassen will und als es dann soweit war, habe ich einen Monat lang nichts gemacht und dann wurde es mir «langweilig», meint er trocken. «Ich bin kein Bühnenmensch und ich möchte auch nicht auf der Bühne stehen.»
«Für uns ist Peter ein Glücksfall», sagt Livia.
«Wie würdest du dich charakterisieren?, frage ich Peter.
Peter überlegt einen Moment. «Aufgeschlossen, ungeduldig, interessiert, sportlich …»
«Trockener Humor, Mutterwitz, junger Geist, Sensorium ob etwas stimmt oder nicht. Sieht das Haar in der Suppe. Ist einfach ein Schätzi, » ergänzt Livia. Peter sitzt da und hört zu. Um seine Mundwinkel zuckt es leicht.
«Mir gefällts im Theater Matte. Ich fühle mich wohl und so bin gerne in diesem Team dabei», sagt er lächelnd.
Er entlastet das Team, macht Medienarbeit, organisiert Events und ist einfach da wo man ihn braucht. Sein Herz schlägt für das Theater.
Nun nochmals auf meine Anfangsfrage zurück: Wo seit ihr in zwei Jahren? Da kommt natürlich sofort das Thema Finanzen zur Sprache.
«Ein leidiges Thema», winkt Markus ab.
«Und doch muss es sein, denn ohne Geld können wir nicht leben und das Theater Matte nicht existieren. Wir sind immer wieder überrascht wie schwer es ist, für unsere Kunst Geld zu bekommen. Wenn einer Gitarre spielen kann, dann ist er Musiker. Wenn einer Theater spielt und keinen Schauspielabschluss hat, dann ist er in den Augen der Kultur eben kein professioneller Schauspieler, sondern «Amateur». Tatsächlich schwierig zu definieren», meint Markus. Eine gewisse Resignation spüre ich schon in seiner Aussage.
«Eine jährliche Unterstützung von Stadt und Kanton Bern würde uns manches erleichtern, aber wir geben nicht auf. Die Hoffnung stirbt zuletzt und so werden wir wie gewohnt professionell weiter arbeiten. Wir haben viele «Amateure» auf der Bühne. Nicht, dass diese schlechter sind als die Profis, nein, sie können einfach nicht davon leben und so müssen sie eben einem « Brotberuf» nachgehen. Irgendwie schon etwas verrückt.» Markus schaut mich an und schüttelt nachdenklich den Kopf. Livia und Peter haben aufmerksam zugehört.
«Und wie ist jetzt das mit dem Autorenwettbewerb?», hake ich nach. Livia zieht die Augenbraue hoch und wir lachen. «Zuerst müssen wir wohl noch das Konzept auf Papier bringen, aber uns schwebt vor, dass wir von Schweizer Autoren neue Stücke auf die Bühne bringen können. Dies wird allerdings erst 2016/2017 in Frage kommen. Wie genau das aussehen wird, wissen wir noch nicht. »
Veränderungen und Ergänzungen sind im Theater Matte immer ein Thema. So hat Christiane Wagner einen Teil der künstlerischen Leitung zusammen mit Livia Anne Richard übernommen. «Christiane ist strukturierter als ich, wir ergänzen uns gut, dies wird sicher auch im Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit spürbar sein», sagt Livia.
Wir könnten noch stundenlang reden, doch jeder hat seine Termine und so verabschiede ich mich von einer lebendigen und aufgeschlossenen Crew.
In zwei Jahren wird das Theater Matte noch besser positioniert sein und so hoffen wir für die Matte, für die Theaterfreunde, Schauspieler – ob Amateur oder Profis – dass sich ihre Mühe auszahlt und auch das liebe, wichtige Geld in die richtige Richtung fliessen wird. Herzblut hingegen ist gratis mit dabei.

Rosmarie Bernasconi