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Zehn Jahre Matte-Puce
Der sympathische „Matte Puce“ befindet sich in der Altstadt von Bern, in der Matte an der Wasserwerkgasse, direkt an der Aare. In einer grossen Halle werden Brocante, Antiquitäten und Designgegenstände des 20. Jahrhunderts, die bis heute nichts an ihrer Aktualität eingebüsst haben, eingekauft und verkauft.
Vor zehn Jahren war ich mit anderen Leuten aus dem Quartier an der Eröffnung, als Roberta Kramer den Matte-Puce mit den ausgefallenen Objekten eröffnete.
Deshalb habe ich im Mattearchiv gesucht und Bilder von der Eröffnung am 5. Oktober 1999 gefunden. Zehn Jahre sind eine lange Zeit und doch scheint es mir, als dass ich erst an der Eröffnung teilgenommen habe. In den hell durchfluteten Räume direkt an der Aare an empfängt mich heute die elegante Geschäftsfrau Roberta Kramer. «Nimm einfach Platz», fordert sie mich auf. Es ist ein herrlicher Julitag. Mein Blick wandert durch die hohen Räume und bleibt immer wieder an Gegenständen hängen, die einst wie selbstverständlich zum Alltag gehörten. Roberta bringt mir einen Kaffee und setzt sich zu mir an den Tisch. Nennen wir ihn Franz: Ein Händler der ersten Stunde, stösst dazu. Ein humorvoller und witziger Zeitgenosse. Einer, den man in der «Trödlerbranche» kennt. «Einen einzigen Tag lang war ich in der Matte in der Schule, immerhin! » lacht Franz herzlich. Ich wende mich Roberta zu. Roberta Kramer wurde am 1. Juli 1961 in Italien geboren und kam mit sechs Jahren in die Schweiz. Roberta ist mit Leib und Seele «Trödlerin». Früher verkaufte sie ihre Objekte auf den Märkten, bis sie sich eines Tages entschloss, das Leben als Marktfahrerin aufzugeben. So verkaufte sie den ganzen Lagerbestand an einen Händler. Doch Roberta wäre nicht Roberta, hätte sie die Hände in den Schoss gelegt und wäre untätig geblieben. Im Oktober 1999, nach dem ersten grossen Hochwasser in der Matte - eröffnete sie zusammen mit weiteren Geschäftspartnern den Matte-Puce.
«Hier wirst du aber keine Matratzen und keine Kühlschränke finden. Denn das ist nicht das, was wir verkaufen möchten. Die Matte-Puce ist kein Brockenhaus und so ist es uns auch wichtig, dass alle Händler die hier einlogiert sind, sich daran halten. Wir suchen nach schönen Sachen, die eine zeitgeschichtliche Aussage haben. Gutes zu finden ist oft spannender als zu verkaufen», meint Roberta und ihre blaugrauen Augen leuchten. «Alle Händler, die hier einquartiert sind, haben noch eine «Brotberuf» und sind froh, dass Roberta hier drin zum Rechten schaut», murmelt Franz.
«Wer aber ist Roberta?», will ich wissen. Sie schaut mich ausweichend an. Über sich zu sprechen fällt der attraktiven Roberta offenbar nicht leicht. «Ich bin im Zeichen vom Krebs geboren und mag es nicht so gerne, wenn ich über mich sprechen muss. Denn in erster Linie bin ich hier, um alles zusammenzuhalten. Sie bezeichnet sich als «Ladenhüterin » und lacht dabei herzlich. «Gäbe es Roberta nicht, würde es auch kein Matte-Puce in dieser Art geben», ergänzt Franz. Roberta mag es, hier die «Wächterin» zu sein und es gefällt ihr, dass sie das ganze Gefüge zusammen halten kann. Roberta bezeichnet sich als sensibel, launisch, verspielt, temperamentvoll und sie weiss, was sie will. Sie kann sehr bestimmt sein. «Klar muss es hier eine gewisse Ordnung haben und Regeln gibt es natürlich ebenfalls. Denn ohne dies würde es nicht so gut harmonieren.» «Jetzt möchte ich noch ein Foto machen. Das Licht ist gerade so schön», unterbreche ich unser Gespräch. Roberta verdreht die Augen «muss das sein? Ich mag das nicht so gerne.» Sie dreht sich zu Franz zu. «Du musst aber auch auf das Bild», grinst sie Franz an.
Während dem Fotografieren klingelt Franzs Handy. «Sind wir fertig?» «So kann man ein Fotoshooting auch unterbrechen», sage ich lachend. Er schmunzelt. Steht auf und verabschiedet sich von uns. Er geht ein Haus weiter.
«Ich hätte es nicht geglaubt, dass wir tatsächlich zehn Jahre in diesen Räumlichkeiten sein werden und ein Ende ist nicht abzusehen. Ich weiss nicht, was morgen sein wird, aber heute würde ich sagen, ich bleibe noch eine Weile», philosophiert Roberta.
«Meinst du, dass du nochmals zehn Jahre hier sein wirst oder gar bis zu deiner Pensionierung?», frage ich sie. «Ich weiss es nicht. Ich weiss nicht, was morgen sein wird.
Ich weiss auch nicht, was in zehn Jahren ist. Wenn es nach mir ginge, dann sicher. Ich lebe in den Tag hinein und nehme, wie es kommt.»
«Was ist dein Konzept?»
«Ich weiss es eigentlich nicht so genau. Als wir hier begannen, wusste ich nicht wohin dies führen würde. Heute ist es ein bisschen klarer.» Mehrere Händler und Kunstsammler präsentieren ein laufend wechselndes Angebot an Möbelklassikern, Kultobjekten, Lampen, Spiegel und Kuriositäten, aber auch dazu passende Mode und Musikartikel.
Originale aus den 20er, 50er und 70er Jahren, die nichts an ihrer Aktualität verloren haben und zur zeitlosen Moderne gehören. Neues Material hat keinen Platz hier. «Für mich ist es ebenso notwendig, dass sich die Händler untereinander gut verstehen. Eine gesunde Konkurrenz ist gut und belebt das Geschäft. Ich hätte meine Mühe, wenn Unstimmigkeiten unter den Händlern herrschen würde. Es gab in den letzten zehn Jahren wenig Wechsel, weil wir schon am Anfang schauen, ob ein Händler in den Matte-Puce passt oder nicht. Jeder soll sich entfalten können und sein eigenen Stil mitbringen», betont sie. «Also doch «Gluckere», sage ich lachend. Roberta schaut mich schelmisch lachend an und beantwortet diese Frage weder mit Ja noch mit Nein.
«Was gefällt dir in der Matte?»
«Mir gefällt es an der Aare. Die Nähe zur Aare ist für mich wichtig, denn Wasser bedeutet für mich Energie und Ruhe. Wasser ist auch Gewalt, das ist eben der andere Aspekt, aber mehrheitlich ist es wirklich das Gefühl der Stille. Ich mag es hier in diesen Räumen zu sein. Hier fühle ich mich wohl und es ist wirklich mein Refugium, wenn auch andere hier drin sind.» Man spürt, dass sich Roberta in diesen Räumlichkeiten wohlfühlt und sie gibt auch den Kunden und den Gästen das Gefühl, willkommen zu sein.
Roberta führt mich durch den Matte-Puce und zeigt mir die Vielfalt des Angebotes der Händler. Beim einen ist alles akribisch an seinem Platz. Ein anderer hat Stühle in verschiedenen Varianten aneinandergereiht. Ein dritter hat nur ganz wenig Liebhaberstücke auf seinem Platz. Es ist tatsächlich so, dass kein Platz wie der andere ist. Und doch spürt man die Harmonie im Matte-Puce.
Herzlichen Dank Roberta, dass du dir Zeit genommen hast mir Red und Antwort zu stehen. Und herzlichen Glückwunsch zum zehnjährigen Jubiläum.
Rosmarie Bernasconi