(Das Interview wurde kurz vor den Sommerferien 2008 geführt)


Kindergarten BowägerWir haben nur wenig Zeit für dieses Interview, die vier Frauen, die im Kindergarten der Sprachheilschule tätig sind, haben Programm. Wir sitzen um den grünen Tisch in der Redaktion der Mazy und nutzen die wenige Zeit, die wir haben. So beginne ich den ohne Umschweife meine Fragen zu stellen.

Mazy: Wie entstand der Kindergarten am Bowäger?

Monika Frei: «Der Grund dieser Schule ist, dass sich einmal ein Vater mit zwei tauben Kindern dafür einsetzte, dass seinen Kinder eine spezielle Förderung erhalten sollen. In einem traditionellen Kindergarten und einer üblichen Schulklasse wären diese Kinder wohl in der grossen Gruppe untergegangen. Der Kindergarten und die Schule entwickelten sich im Laufe der Jahre weiter, damit nun vor allem Kinder, die Sprachheilschule besuchen, die eine zentrale Sprachbehinderung haben. Es sind Klassen mit maximal acht Kindern, so kann jedes Kind wirklich individuell betreut werden.» Für Monika Frei, die Älteste im Team, wird diesen Sommer nach 22 Jahren unterrichten die Zeit am Bowäger vorbei sein. Sie wird pensioniert. Priska Haller wird eine Klasse gemeinsam mit Nicole Begré führen und neu auch mit Doris Rentsch.

Mazy: «Wie viele Kindergartenklassen gibt es denn am «Bowäger»? Und wer betreut diese?»

«Es gibt zwei Klassen am Morgen, die von uns betreut werden. Zusätzlich erhalten die Kinder Unterricht in Logopädie, Psychomotorik von ausgebildeten Fachleuten.»
Monika Frei, Doris Rentsch, Nicole Begré und Priska Haller sind ausgebildete schulische Heilpädagoginnen. Schulische Heilpädagoginnen unterrichten, erziehen, beurteilen und fördern Kinder mit Lernstörungen, Verhaltensauffälligkeiten und unterschiedlichen Behinderungen. Sie absolvierten ihre Ausbildung am Institut für Heilpädagogik in Bern und arbeiten jetzt im Kindergarten der Sprachheilschule am Bowäger.

Mazy: «Was sind das für Kinder, die hier in den Kindergarten kommen?»

«Es können nur Kinder mit einer Sprachstörung diesen Kindergarten besuchen, die von der IV unterstützt werden. Jedes Kind erhält eine individuelle Lösung angeboten und wird in seiner Entwicklung gefördert. Es ist nicht Bedingung, dass ein Kindergärteler die ganzen zwei Jahre in diesen Kindergarten besuchen soll, denn es ist durchaus möglich, dass es nach einem Jahr schon wieder in seiner Wohngegend den normalen Kindergarten besuchen kann.»

Mazy: «Monika du bist schon lange hier und wirst in diesem Sommer pensioniert, an was wirst du dich am besten erinnern? Sag jetzt nicht an die Kinder», sage ich lachend.

«Das natürlich auch, aber der Spaziergang zum Arbeitsplatz und die Aare ist etwas, was mir sehr gefällt und mir immer gefallen hat. Das Spezielle finde ich spannend.»

Mazy: «Was wirst du am meisten vermissen?»

«Das Kollegium wird mir schon sehr fehlen – wir hatten es wirklich gut.» Sie schaut in die Runde.
Doris meint: «Ich werde dich dann jeden morgen anrufen.» Ein Lächeln huscht über Monikas Gesicht.

Mazy: «Was gefällt dir in der Matte?»

«Die kleinen «Nischenlädeli« dies gibt es wirklich nur in der Matte. «Vielleicht komme ich euch tatsächlich ab und zu besuchen», sagt sie unvermittelt.
«Ich werde Monika sicher vermissen», wendet Doris ein.
«Jetzt kommen die Sommerferien, dann habe ich noch ein bisschen Zeit, mich damit zu beschäftigen, dass Monika nach den Ferien nicht mehr da ist. Im Moment realisiere ich es noch gar nicht. Klar, habe ich mich mit ihr wohlgefühlt und es ist gar nicht so einfach daran zu denken, dass nun etwas Neues kommen wird.»
«Ich empfinde es ähnlich», sagt Nicole zustimmend.
Nicole Begré arbeitet seit zwei Jahren im Kindergarten und hat eine kleine Tochter.

Mazy: «Kannst du Beruf und privat trennen, Nicole?»

Nicole: «Wenn ich nach Hause komme, geht’s gleich weiter – aber es ist eine andere Ebene – und dies gefällt mir auch. Die Rolle als Mutter, sie ist schon etwas anders. Ich kann allerdings die Ängste der Eltern heute besser verstehen. Mein Kind habe ich von Anfang in die Kita gegeben. Sie ist selbstständiger, sie kann ganz gut ohne mich sein.» Nicole verdreht die Augen. «Die Erfahrung mit den Kindern im Kindergarten hilft mir sehr bei meinem eigenen Kind mehr Verständnis zu haben.»

Mazy: «Was gefällt dir persönlich in der Matte?»

«Die Aare ist so nah. Die Matte ist ein «fliessendes Quartier«– die Leute bleiben nicht stehen, sie wandeln und verändern sich. Die Atmosphäre ist wirklich schön und es gefällt mir auch, dass sich die Leute grüssen und kennen.»
Priska Haller: «Für mich wird es schon etwas besonders sein, dass Monika nun pensioniert wird. Das Praktikum habe ich bei Doris Rentsch gemacht und als Nicole schwanger wurde, konnte ich bei der Klasse zwei einsteigen. Ich werde im Sommer fertig mit meinem Studium als schulische Heilpädagogin. Ich habe sehr viel Glück, dass ich nun mein Pensum aufstocken kann, den solche Stellen sind tatsächlich rar. Ich bin bereits seit seit 2 ½ Jahren im Quartier Monika wird mir fehlen, nicht nur, weil sie Alltägliches wie Zeitungen bündeln, Pflanzen giessen erledigt hat, Früchte an Sitzungen mitbrachte, sondern weil ich von ihr viel lernen konnte.

Mazy: «Wer macht das nun? Früchte mitbringen, Zeitungen bündeln …?»

«Das wird auf dem Ämtliplan festgehalten …», sagt Doris verschmitzt lächelnd

Mazy: «Priska, was magst du in der Matte?»

«Es ist übersichtlich hier und da ich selber vom Land komme, fühle ich mich sehr wohl.»

Mazy: «Gibt es keine Konflikte bei euch?»

Doris Rentsch: «Glücklicherweise haben wir keine grossen Konflikte und die kleinen sprechen wir an. Das «Bubenbergrain-Team« gefällt mir sehr gut und wir sind ziemlich für «uns«. Wir haben sporadisch Haussitzungen auch mit der Schulleiterin. Es ist schön, dass wir alle ähnliche Werte und Ziele verfolgen, sodass wir uns in den Stärken voneinander ergänzen können.»
Mazy: «Schön, dass ihr nicht von den Schwächen, sondern von den Stärken redet», stelle ich fest.
«Ich denke, dass es viel angenehmer ist, sich in den Stärken zu unterstützen, als sich in den Schwächen zu lähmen,» sagt Doris klar.

Mazy: «Wie gross ist eigentlich die Nachfrage für den Kindergarten am Bowäger?»

«Die Nachfrage ist grösser als das Angebot. Selbstverständlich ist das knappe Geld immer wieder ein Thema und deshalb sind unsere Möglichkeiten beschränkt. Aber immerhin haben wir nun ein integratives Projekt, dass drei Mal in der Woche auch am Nachmittag eine Klasse zulässt.»
«Gerne hätten wir schlicht und einfach grössere Räume in der Matte. Wir wollen aber nicht jammern», meint Doris.

«Klar, hier ist es andererseits heimelig und ruhig. Der Spielplatz, das kleine, sonnige, ruhige Ambiente ist auch ein Vorteil und trotzdem würden wir uns wünschen, dass die Lokalitäten sorgfältiger unterhalten würden. Die Liebe zum Detail fehlt und die sanitären Anlagen dürften erneuert werden, sie sind ganz einfach nicht mehr zeitgemäss.» Dies ist die Meinung aller.

Vielen herzlichen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt, zusammen mit mir an den grünen Tisch zu sitzen.


Anmerkung der Redaktorin: Jeweils am Mittag um 11.30 stehen die Taxis an der Badgasse bereit und warten auf die Kinder. Manch einer der Taxifahrer steht oft mit mürrischem Gesicht da – kaum kommen die Kinder erhellen sich die Mienen der Fahrer. Die Kinder kommen mit ihren Autositzlis und steigen in die jeweiligen Taxis ein – dies ist eine richtige «Gugelfuer« – und ich geniesse diese Stimmung vor dem Buchladen. Und wenn dann die grossen Ferien beginnen, dann höre ich die freudigen Stimmen der Kinder «Tschühühühüss, mir göi itze i d Feriä!»  Ich bin jedes Mal froh, wenn die Ferien vorbei sind und die Kinder wieder da sind. Es ist eine lebendige und aufgestellte "Schar".


Rosmarie Bernasconi