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Kaum ein Mätteler stellt in Abrede, dass ein wirksamer Hochwasserschutz notwendig ist. Nach den Jahrhunderthochwassern 1999 und 2005 unternahm die Stadt viel gegen das Hochwasser und baute Provisorien, die das Schlimmste verhindern werden. Je intensiver man sich mit der Frage des Hochwasserschutzes auseinandersetzt, desto deutlicher treten aber beim «Objektschutz» Fragezeichen zu Tage. Der «Objektschutz» setzt sich aus drei Elementen zusammen: Eine Ufererhöhung, eine unterirdische Dichtwand sowie ein Drainagesystem. Alle drei Elemente zeichnen sich durch signifikante Nachteile aus, die der Stollen nicht kennt.
Mattequartier wird eingemauert
Die Ufererhöhung führt zu einem gigantischen Bollwerk, welches die Matte regelrecht einmauert. Von «Aussen» präsentiert sich dem Betrachter eine zweistöckige, fünf Meter hohe Sandsteinmauer. Der gesunde Menschenverstand sträubt sich automatisch dagegen. Erst recht schleierhaft ist, wie sich diese Mauer mit denkmalpflegerischen Überlegungen und dem Schutz des UNESCO Welterbes vereinbaren lassen.
«Eine Mauer ist eine Mauer» versucht unser Stapi das angeblich verblüffend einfache Konzept zu erklären. Für den Denkmalpfleger wäre der geplante Quai «eine Aufwertung, die sich am historischen Zustand orientiert.» Auf welche konkreten historischen Vorgaben sich die Stadt stützen, bleibt unerfindlich. Auch in historischen Plänen findet sich nichts dergleichen.
Von «Innen», für die Menschen, die hinter der neuen Mauer leben und arbeiten, präsentiert sich der «Objektschutz» keinen Deut besser. Anlässlich einer Begehung auf dem «Inseli» musste der Architekt Mühlethaler einräumen, dass ihm die Problematik in dieser Tragweite nicht bekannt war.
Grundwasser ist schwer berechenbar
Eine Dichtwand entlang der Aarstrasse, über den Tychkanal bis zur Untertorbrücke soll das «Löchersieb» stopfen und gleichzeitig als Fundament für die neue Ufermauer dienen. Dazu müssten Bohrpfahlwände bis zu 15 Meter in die Molasse eingelassen werden. Heute ist aber nicht klar, ob die 15 Meter reichen und wie zuverlässige die Abdichtung wird. Das die Dichtwand unterlaufende Grundwasser und das von oben eindringende Regenwasser muss mit einem Drainagesystem abgeführt und abgepumpt werden. Wie viel Wasser wo eindringt und abgepumpt werden muss, wurde von einem Spezialisten geschätzt. Auf dessen Einschätzung basiert das ganze Konzept!
Das Grundwasser mit Dichtwand und Drainagesystem zu bändigen ist ein komplex zu realisierendes und nur schwer planbares Vorhaben. Der «Objektschutz» repräsentiert eine theoretische, technokratische Idealvorstellung. Das wird unweigerlich zu einem jahrelangen Flickwerk führen, das möglicherweise nie funktioniert und viel teurer kommt. Dass die beauftragten Ingenieurunternehmen solche Risiken fürchten und die Haftung ablehnen, beweist in aller Deutlichkeit der Gerichtsfall «Mitholz-Tunnel», in welchem der Kanton Bern gegen verschiedene Unternehmen klagte. Die massive Kostenüberschreitung im Projekt Bärenpark ist auch nicht gerade vertrauenerweckend. Darum müssen die Lösungsvarianten und die damit verbundenen Risiken durch unabhängige Dritte beurteilt werden. Dafür einige wenige Prozente des gesamten Projektbudgets einzusetzen wird sich lohnen.
Gegenüber dem hochkomplexen «Objektschutz» stellt der Stollen eine geradezu überschaubare, handfeste und besser kalkulierbare Variante dar. Es wird kein hundertprozentiger Hochwasserschutz erreicht: aber es werden 200 Kubikmeter pro Sekunde umgeleitet und an den heiklen Stellen vorbeigeschleust. Und das entlastet die betroffenen Quartiere gegenüber heute deutlich.
Leben mit der Aare – Leben mit dem Hochwasser
Bernhard Furrer, ehemaliger Denkmalpfleger hat auf politischer Ebene einen «Dritten Weg» erneut ins Spiel gebracht. Städte wie Hamburg, Passau oder Venedig leben seit Generationen mit dem Hochwasser und haben sich damit arrangiert. Die Bewohner und lokalen Betriebe wissen, dass sie mit Überschwemmungen rechnen müssen und stellen sich baulich und organisatorisch darauf ein. Wenn die Natur akzeptiert wird, wenn die Eigenverantwortung der Bewohnerschaft gestärkt werden soll, dann genügen kleinere Eingriffe kombiniert mit organisatorischen Massnahmen, um zu guten Resultaten zu kommen. Die Kosten für den «Dritten Weg» betragen einen Bruchteil der beiden anderen Varianten.
Verschiedene Stadträtinnen und Stadträte der Parteien GFL, EVP, FDP und GLP reichten die dringliche Motion «Nachhaltige Variante» ein, die auf Furrer’s «Drittem Weg» basiert.
Kontroverse Auseinandersetzungen sind notwendig
In einem Artikel schreibt Peter Probst, ehemaliger Münsterturmwart: «Das ProStollen Komitee erweist mit seiner Verzögerungstaktik gegen die Objektschutz-Lösung der Matte-Bevölkerung einen Bärendienst.» Wie bereits Simon Jäggi (Der Bund) versucht Probst die Befürworter des Stollens als Verhinderer abzustempeln. Wir leben in einer Demokratie mit einem funktionierenden Rechtssystem und allgemein zu respektierenden Prinzipien. Wenn sich eingemauerte Mätteler für den Stollen einsetzen und sich betroffene Eigentümer gegen einen öffentlichen Quai wehren, dann ist das ihr gutes Recht. Es liegt in erster Linie an der Stadtregierung, eine tragfähige Lösung aufzugleisen und Blockaden zu verhindern.
Natürlich drängt die Zeit. Die kontroverse Auseinandersetzung, das Ringen um die bessere Lösung lässt sich aber nicht an die Behörden abtreten. Dazu gehört auch, dass das Volk zwischen verschiedenen Varianten und nicht nur zwischen «Objektschutz Ja oder Nein» entscheiden kann.
Andreas Lüthi, Mattebewohner