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eine Frau mit vielen Facetten
Ich habe mit Vanja Arzner an der Wasserwerkgasse 31 bei Creametal abgemacht, in ihrem Revier sozusagen. Ich fahre mit dem Lift in den 4. Stock und nehme im Sitzungszimmer Platz. Die Aussicht ist himmlisch. Ich schaue zum Erlacherhof hoch und auf die Matte hinunter – ein seltenes Gefühl.
«Wer ist Vanja Arzner?» , frage ich sie zu Beginn unseres Gespräches. Vanja ist auf diese Frage nicht vorbereitet. Sie schaut mich irritiert, ja sogar verlegen an und weiss nicht so recht, was sie mir antworten soll. Kurze Zeit später meint sie dann: «Ich bin eine vielseitige Persönlichkeit und lebe unterschiedliche Rollen. Der Büroalltag ist das eine und Kunst ist das andere.»
Vanja absolvierte die Wirtschaftsmittelschule und arbeitet seit mehr als zehn Jahren in der Matte bei Thomas Zimmermann bei der Firma Creametal. «Thomas suchte damals eine Angestellte für vier Monate, nun sind es eben mehr geworden. Ich lebe eine On-Off-Beziehung zur Firma Creametal. Manchmal arbeite ich längere Zeit hier und dann bin ich wieder weg oder arbeite Teilzeit. Mein Pensum ist zwischen 40 - 100%.» Sie lacht verschmitzt, das tut sie oft, wenn sie etwas sagt.
«Was gefällt dir hier? Und wieso kommst du immer wieder zurück?», frage ich sie direkt. Das Motto der Firma, universell, innovativ und unkonventionell passt auch zu mir und deshalb passe ich in diese Firma. Eben eine On-Off-Beziehung» , lacht sie. «Es sind in dieser Firma alles Allrounder und das ist es auch, was mir gefällt, deshalb komme ich immer wieder gerne zurück.»
Vanja ist in Bern an der Kramgasse aufgewachsen und sie lebt nach wie vor in Bern.
Die Schule besuchte ich in der Matte. «Bei Herrn Zwahlen fühlte ich mich wohl. Es gab da allerdings noch eine Lehrerin, deren Name ich nicht erwähnen möchte, denn an diese Person habe ich keine guten Erinnerungen - und nicht nur ich - es war glaube ich die ganze Klasse, die damals diese Lehrerin nicht wirklich mochte.» Wieder entdecke ich das spitzbübische Grinsen.
Vanja ist Künstlerin mit Leib und Seele - Varietékünstlerin und dies mit grossem Erfolg.
«Wie bist du zum Varieté gekommen?»
«Mir haben die Plakate von Henri de Toulouse-Lautrec schon immer gefallen. Sie haben etwas Verruchtes, aber auch sehr Ästhetisches. Die Ambiance in einem Cabaret gefällt mir und ich glaube, ich könnte das Musical von Liza Minelli «Cabaret» auswendig aufführen.» Wieder lächelt sie. Vanja wirkt geheimnisvoll und doch so bodenständig. Sie liebt es zu kokettieren. Die im Zeichen des Löwen- geborene Vanja mag den Nachtklub, das rote Licht im Keller. Strapse, Korsett, Federboas gehören zu ihrer Ausstattung auf der Bühne. Sie mag aber nicht in die Ecke der Schmuddeldame gedrängt werden, das ist ihr wichtig. «In einem Varieté hat vieles Platz und ich finde es ist auch internationale Unterhaltung. Ich bin in meinem «normalen» Leben eher unscheinbar, aber auf der Bühne bin ich eine Rampensau» , sagt sie spontan. «Ich liebe es in eine Rolle zu schlüpfen und diese spielerisch voll auszuleben. Ich habe ungefähr zehn Figuren, die ich spiele. Meine Figuren sind Eigenkreationen. Das Showgirl aus New York, die Cabaretdame aus Berlin ... auch tragische Gestalten spiele ich gerne. Die Strassendame ist meine liebste Rolle.» Es ist faszinierend Vanja zuzuhören, denn wenn sie vom Varieté erzählt, spürt man ihre Lebendigkeit, ihre Augen leuchten. Wir kommen vom Moulin Rouge wieder in die Matte zurück.
«Was gefällt dir in der Matte? »
«Hier ist es gemütlich, mir ist es fast zu ruhig. Ich weiss schon, es gibt immer wieder Diskussionen zwischen Anwohner und dem Gewerbe. Vom Zytglogge abwärts ist es ähnlich. Es ist zwar schön und beschaulich, es dürfte allerdings lebendiger sein. Dies gilt auch für die Matte» Vanja möchte eine lebendige Stadt und auch sie ist hin- und her gerissen zwischen Ruhe und «das öppis louft»
«Mir fehlt in der Matte eine Bäckerei. Wohin geht man über Mittag? Ich gehe meist in die Stadt. Was nützen mir 4 - 5 Coiffeure über Mittag, wenn ich Hunger habe. So etwas wie die Bäckerei Fürst würde der Matte gut tun» , sagt Vanja bestimmt.
Thomas Zimmermann hat sich zu uns an den Tisch gesetzt. Ich will natürlich wissen, wie er Vanja erlebt und wie er sie als ihr Chef beschreiben würde.
Wie aus der Pistole geschossen meint er «Sie ist wie eine Katze, sie will gestreichelt werden und sie bestimmt selbst, wann und wie viel sie ertragen kann. «Vanja horcht auf, wirft ihre langen Haare nach hinten und für einmal wird sie ganz verlegen.»
Thomas ist des Lobes voll. «Sie ist, pingelig genau, arbeitet seriös und gewissenhaft und auf der Bühne ist sie wirklich ein ganz anderer Mensch.»
«Auch wenn Las Vegas telefonieren würde - würde ich bei Creametal bleiben ...» , wendet Vanja ein.
«War es nie ein Problem für die Firma, dass Vanja Varietékünstlerin ist?» will ich von Thomas wissen.
«Nein, denn schon in der Bewerbung hat sie dies erwähnt und für uns war dies kein Hinderungsgrund. Kreative Menschen haben immer Platz in unserer Firma. Wir waren wohl eher stolz, eine so gute Angestellte gefunden zu haben. Wir sind Fan von ihr und haben auch schon Vorstellungen von ihr besucht.»
«Ich warte übrigens noch auf eine künstlerische Darbietung vom Team» , wendet Vanja spontan ein. Wir lachen. Thomas verabschiedet sich..
«Ich gehe meinen Weg und lasse mich nicht biegen. So bleibe ich mir aber auch treu und werde wohl immer wieder nach Bern, in die Matte kommen.»
Nun, unsere Zeit ist um. Es ist Mittag und weit und breit keine Bäckerei in Sicht, deshalb wird Vanja ihren Hunger in der Stadt oben stillen. Gemeinsam marschieren wir durch die Schifflaube. Bei Nummer 26 verabschiede ich mich und schaue ihr noch einen Augenblick nach, wie sie leichtfüssig in die Stadt schreitet.
Herzlichen Dank Vanja für einen kleinen Einblick in dein spannendes Leben. Rosmarie Bernasconi